Migros-Gewinn 2022 von massiv höheren Kosten verhagelt
Zürich – Die galoppierende Inflation hat das Jahresergebnis der Migros verhagelt: Trotz eines Rekordumsatzes sackte der Gewinn markant ab. Am schlimmsten haben die Industrie und der orange Detailhandel gelitten.
Der Betriebsgewinn vor Finanzerfolg und Ertragssteuern (EBIT) tauchte um 21,5 Prozent auf 628 Millionen Franken ab, wie Finanzchefin Isabelle Zimmermann am Dienstag an der Bilanzmedienkonferenz in Zürich erklärte. Noch stärker rauschte das Reinergebnis in die Tiefe: Unter dem Strich brach der Gruppengewinn um 31,4 Prozent auf noch 459 Millionen Franken ein. Im Vorjahr hatten noch 668 Millionen Franken in der Kasse geklingelt.
Hohe Kosten als Klotz am Bein
Schuld am Gewinneinbruch seien vor allem die gestiegenen Kosten. Der gesamte betriebliche Aufwand sei um über 400 Millionen Franken höher als im Vorjahr, sagte Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen. Alleine in der Industrie hätten höhere Kosten für Rohstoffe, Verpackung und Energie mit 250 Millionen Franken zu Buche geschlagen.
Zudem hinterliess die Talfahrt der Börsen Spuren im Finanzergebnis, das in die roten Zahlen rutschte. Das Wertschriftenportfolio des Migros Genossenschaftsbundes (MGB) brockte dem Konzern einen Verlust ein.
Hinzu kam, dass das Wachstum der Migros vor allem in Bereichen mit niedrigen Margen wie Reisen, Gastronomie und Fitness erfolgt sei, sagte Finanzchefin Zimmermann. Diese haben sich zwar stark vom Corona-Einbruch erholt, trugen allerdings kaum zum Betriebsgewinn bei. So konnte etwa die Reisetochter Hotelplan die Verlustzone verlassen, erzielte aber lediglich einen Betriebsgewinn von 26 Millionen Franken.
Am meisten litt die Migros-Industrie, deren operativer Gewinn um über 90 Prozent auf 9 Millionen Franken abstürzte. Man habe die höheren Kosten nicht voll an die Kunden weitergeben können, sagte Zimmermann.
Auch in der Sparte Handel, die den Discounter Denner, das Mineralölunternehmen Migrol, den Onlinehändler Digitec Galaxus oder Migrolino umfasst, fiel der Betriebsgewinn um über ein Fünftel.
Migros-Läden weniger profitabel
Das grösste Sorgenkind des «orangen Riesen» ist aber der genossenschaftliche Detailhandel, wo das operative Ergebnis um über 40 Prozent auf noch 245 Millionen Franken fiel. Hauptsächlich sei die Normalisierung des Kaufverhaltens nach dem Coronaboom dafür ausschlaggebend. Diese Normalisierung habe man erwartet, sagte Zimmermann. Die Menschen würden ihr Geld auch wieder für anderes ausgeben als im Laden.
Und eine Analyse des Ende April abtretenden Migros-Chefs zeigte, dass dieses Problem seit langem besteht. Seit seiner Amtsübernahme im Jahre 2017 seien bei der ganzen Migros-Gruppe Umsatz und EBIT gestiegen, während bei den regionalen Genossenschaften der Umsatz stagniert habe, der EBIT aber um 23 Prozent gefallen sei.
Knapp die Hälfte des Rückgangs stammt von den Super- und Verbrauchermärkten mit dem orangen M, erklärte Zumbrunnen. Rund ein Viertel komme von den Fachmärkten, 16 Prozent von der Gastronomie. Der Rest stamme von den Tochtergesellschaften und Diversem.
Ringen um mehr Profitabilität
Damit machte Zumbrunnen deutlich, wo sein Nachfolger, der bisherige Denner-Chef Mario Irminger, den Hebel ansetzen muss. Der Discounterspezialist soll die ganze Migros-Gruppe effizienter machen, vor allem aber die Supermärkte als grösste Baustelle der Gruppe.
Ein Bremsklotz bleibt die schwerfällige Struktur der Migros, bei der die regionalen Genossenschaften stark die Geschicke steuern. Konkurrentin Coop wird dagegen zentral von Basel aus geleitet. Jeder Versuch, die Führungsstrukturen der Migros zu modernisieren, ist in den letzten Jahren gescheitert.
Immerhin prüft die Migros derzeit, wie das Supermarktgeschäft künftig in einer eigenständigen, zentral gesteuerten Gesellschaft geführt werden kann. Das bedeutet konkret: Kosten sparen. Das Verfahren sei aber lang und komplex, sagte Zumbrunnen. Es gehe um den Entscheid von 22 Gremien. «Die Migros wird berichten, wenn es konkrete Fortschritte gibt.»
Aufschwung in anderen Geschäftsfeldern
Dagegen hätten sich die anderen Geschäftsfelder wie Handel, Hotelplan Gruppe oder die Migros Bank seit 2017 markant gesteigert, sagte Zumbrunnen. Besonders steil ist das Wachstum im Gesundheitsmarkt, wo die Migros seit 2017 den Umsatz beinahe vervierfacht hat.
Bis zum nächsten Jahr solle der Umsatz hier auch dank der Übernahme des Schweizer Geschäfts der Apothekenkette Zur Rose auf 1,4 Milliarden Franken klettern. Das wären 10 Mal mehr als noch 2017. (awp/mc/ps)