Mindestkurs: Politik nimmt SNB-Entscheid unterschiedlich auf
Finanzministerin Widmer-Schlumpf: Landesregierung hat den Entscheid «zur Kenntnis genommen». (Foto: admin.ch)
Bern – Die Politik hat den Entscheid der Nationalbank, den Franken-Euro-Mindestkurs aufzugeben, sehr unterschiedlich aufgenommen. Während Vertreter der Linken von einem gefährlichen Entscheid sprechen und den Verlust von Stellen befürchten, geben sich Bürgerliche gelassener. Der Bundesrat reagierte in einer ersten Stellungnahme zurückhaltend. Die Regierung habe den Entscheid «zur Kenntnis genommen», sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Donnerstag in Bern vor Medienvertretern.
«Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Wechselkurs weiterhin bedeutsam ist», stellte sie fest. Die Nationalbank werde ihrer Aufgabe entsprechend weiterhin für monetäre Bedingungen sorgen, die eine Deflation oder Inflation verhinderten und einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft förderlich seien.
«Neue Unsicherheit»
Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) nannte den Entscheid «brandgefährlich» und ein «va banque»-Spiel mit der Exportwirtschaft, deren wichtigster Markt der Euroraum sei. «Offenbar hat die Nationalbank dem Druck von rechts nachgegeben», sagte sie auf Anfrage. Die Exportwirtschaft habe sich auf den Mindestkurs eingestellt. Dessen Aufgabe bringe nun neue Unsicherheit. Wegen der zu erwartenden Probleme für die Exportwirtschaft fürchtet Leutenegger Oberholzer zudem um Arbeitsplätze. Ob die höheren Negativzinsen eine Hilfe sein können, bezweifelt sie.
Auch Nationalrat Louis Schelbert (Grüne/LU) sprach von einem gefährlichen Entscheid, namentlich für den Export und den Tourismus. «Sie leben vom Euro.» Es gelte nun, alles zu versuchen, um die Gefährdung von Arbeitsplätzen abzuwenden. Für ein politisches Programm ist es aber nach seiner Auffassung noch zu früh. «Wir müssen zuerst schauen, wie sich das Ganze einpendelt», sagte er. Sollte sich zeigen, dass die verstärkten Negativzinsen nicht ausreichten, müsse über andere Mittel nachgedacht werden, um die Exportwirtschaft und den Tourismus zu stützen. Hauptaufgabe der Nationalbank sei es nun, eine Deflation abzuwenden.
Flankierende Massnahmen gefordert
Gelassener reagieren bürgerliche Wirtschaftspolitiker: Für den ehemaligen Bundesrat Christoph Blocher war dieser Schritt der SNB nur eine Frage der Zeit. Laut ihm wäre die Aufhebung des Mindestkurses schwieriger geworden, hätte man noch länger zugewartet. Dieser Meinung ist auch Nationalrat Thomas Aeschi (SVP/ZG): «Es musste allen im Markt klar sein, dass der Mindestkurs nicht auf ewig gehalten werden kann.» Wenn sich nach dem Bekenntnis der Nationalbank zur eigenen Währung nun die Normallage wieder einpendeln werde, profitierten die Schweizer Binnenwirtschaft und auch die Sparer.
Die Exportbranchen hätten genügend Zeit gehabt, sich auf die Aufhebung des Mindestkurses einzustellen, sagten die beiden SVP-Politiker. Da die Gefahr bestehe, dass in Exportbranchen und im Tourismus Stellen verloren gingen, sei es Sache der Politik, flankierende Massnahmen zu ergreifen, um die Zuwanderung einzuschränken.
Der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber mahnte zur Ruhe: «Vielleicht sollte der Entscheid nicht Minuten nach der Bekanntgabe beurteilt werden, sondern erst nach ein paar Tagen, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist.» Kritisieren will er die SNB nach ihrem überraschenden Entscheid nicht. «Die Politik sollte sich aus der Geschäftspolitik der Nationalbank heraushalten.»
Kriseninstrument nicht auf immer haltbar
Auch wenn die Exportwirtschaft an einem Kurs von etwa 1,10 CHF pro Euro keine Freude habe: Anderen Branchen würde dieser Kurs zugutekommen. Gespannt ist Graber auch auf den nächsten Schritt der Europäischen Zentralbank. Eine Nationalbank treffe keinen solchen Entscheid, ohne andere Nationalbanken zu konsultieren, sagte er.
Für FDP-Nationalrat Andrea Caroni (AR) ist es «an sich eine gute Nachricht, wenn die Nationalbank nun zum Schluss gekommen ist, dass sie den Mindestkurs zum Euro aufgeben kann.» Der Mindestkurs sei bei der Einführung 2011, als sich der Franken gegenüber dem Euro rasant aufgewertet habe, ein geeignetes Kriseninstrument gewesen. «Diese Art der Exportstützung war damals gerechtfertigt», sagte er. Und man dürfe nicht vergessen, dass der Mindestkurs für andere Branchen und nicht zuletzt für die Konsumenten Nachteile gebracht habe. Die FDP forderte per Communiqué eine umfassende Stärkung des Standorts Schweiz und das mit einem wirtschaftlichen Reformprogramm.
Nationalrat Thomas Maier (GLP/ZH) nannte den Schritt der SNB nachvollziehbar und mutig. «Der Zeitpunkt der Aufgabe ist nach vier Jahren angesichts der sehr robusten Wirtschaftslage in der Schweiz wohl gut gewählt», liess er sich in einem Communiqué zitieren.
Kantone erwarten Zusatzausschüttung
Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses überraschte auch die Kantone. Die Zusatzausschüttung, die nach dem Rekordgewinn der Nationalbank in die Kantonskassen fliessen soll, sieht Peter Hegglin (CVP), Zuger Regierungsrat und Präsident der Finanzdirektorenkonferenz (FDK), aber nicht in Frage gestellt. Der Entscheid der SNB habe am Donnerstag zu Überreaktionen geführt. «Es ist falsch, daraus schon Schlüsse zu ziehen.» Zudem werde die Ausschüttung der Nationalbank auf der Basis des Ergebnisses des letzten Jahres gemacht. Es gebe also keinen Grund für die Kantone, jetzt ihre Erwartungshaltung aufzugeben. (awp/mc/pg)