(Foto: SGB)
Bern – Ein Mindestlohn verdrängt Schwächere aus dem Arbeitsmarkt, vernichtet Arbeitsplätze und erschwert den Berufseinstieg. Davon sind die in einem überparteilichen Komitee zusammengeschlossenen Gegner der Mindestlohn-Initiative überzeugt.
Das Volksbegehren des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), über das am 18. Mai abgestimmt wird, verlangt einen landesweiten gesetzlichen Mindestlohn von 22 CHF pro Stunde. Das entspricht rund 4000 CHF im Monat. Etwa 330’000 Personen arbeiten in der Schweiz für ein tieferes Gehalt. Für diese wäre die Initiative ein klassisches Eigengoal, wie die Gegner am Donnerstag vor den Medien in Bern ausführten.
Probleme für die Landwirtschaft
Der Rationalisierungsschub, den die Initiative auslösen würde, treffe besonders Berufseinsteiger, Wiedereinsteiger und weniger gut Qualifizierte, sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay (VS). Die «gut gemeinte» Initiative schade damit ausgerechnet jenen, die sie eigentlich schützen wolle. Besondere Probleme orten die Gegner für Angestellte von KMU oder Landwirtschaftsbetrieben. Bei einem Stundenlohn von 22 CHF könne sich die Landwirtschaft keine Angestellten mehr leisten, gab der Berner BDP-Grossrat Heinz Siegenthaler zu bedenken. Arbeitsintensive Kulturen wie Gemüse, Obst oder Beeren und grössere Tierbetriebe würden verschwinden.
Bei einem Mindestlohn von 22 CHF könne sein Betrieb nicht mehr mit Unternehmen aus dem Osten Europas konkurrieren, sagte Fuhrhalter und SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (AG). Für ihn ist klar, dass die Initiative in der Schweiz viele Arbeitsplätze kosten würde. Gerade Jobs im Niedriglohnbereich würden unnötig gefährdet, sagte auch der Berner GLP-Nationalrat Jürg Grossen.
Weniger Lohn in ländlichen Gegenden
Die Gegner der Initiative halten es auch für falsch, alle Regionen, Branchen und Qualifikationen über einen Kamm zu scheren. Eine kleine Firma im Berner Oberland könne ihren Angestellten nicht den gleichen Lohn zahlen wie eine Grossfirma mitten in Zürich, sagte Grossen. Das mache aber nichts, denn in ländlichen Gebieten seien auch die Lebenshaltungskosten tiefer als in grossen Städten.
Grossen hält es zudem für «ungerecht, wenn eine ausgebildete Fachkraft gleich viel verdient wie jemand, der keine Berufslehre gemacht hat». In den Augen der Gegner gefährdet die Initiative aus diesem Grund auch das duale Bildungssystem: Der Anreiz, eine Berufslehre zu machen, würde massiv sinken, sagte FDP-Nationalrätin Petra Gössi (SZ). «Ohne jegliche Qualifikationen auf Anhieb 4000 CHF zu verdienen ist so reizvoll wie gefährlich.»
Weltweit der höchste Mindestlohn
Laut Darbellay steht auch die Sozialpartnerschaft auf dem Spiel. Vorteilhafte Regelungen in Gesamtarbeitsverträgen könnten einem staatlichen Mindestlohn zum Opfer fallen. Und schliesslich wäre für den CVP-Präsidenten das Lohngefälle zu gross, wenn die Schweiz den weltweit höchsten Mindestlohn einführen würde. Der höchste europäische Mindestlohn liege derzeit in Luxemburg bei rund 12 CHF pro Stunde; Deutschland diskutiere über einen gesetzlichen Mindestlohn von umgerechnet 10,50 CHF. In den ohnehin unsicheren Zeiten dürfe man die Wirtschaft nicht noch mit zusätzlichen Unsicherheiten belasten, warnte Darbellay.
Dem überparteilichen Komitee gehören SVP, CVP, FDP, GLP, BDP und EVP an. Bundesrat und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung. Auch Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann macht geltend, dass ein staatlich festgelegter Mindestlohn das falsche Mittel sei, um Armut zu bekämpfen. Für ihn steht das Funktionieren des Schweizer Arbeitsmarkts auf dem Spiel.
Die Gewerkschaften bezeichnen dies als Angstmacherei. Sie verweisen auf die Erfahrungen im Gastgewerbe, in welchem die Arbeitslosigkeit nach der Einführung von Mindestlöhnen sogar gesunken war. Auch die OECD kam zum Schluss, dass kein Zusammenhang zwischen Mindestlöhnen und der Arbeitslosenrate nachweisbar ist. (awp/mc/pg)