Marc Fehlmann, Gründer der Stiftung Simpera, geht neue Wege in der Ausbildung von Hilfshunden in der Schweiz. Im Gespräch mit swisspeers CEO Alwin Meyer enthüllt er, wie seine persönliche Geschichte und innovative Ansätze Menschen mit Behinderungen neue Perspektiven eröffnen.
Marc Fehlmann, selbst teilweise sehbehindert, hat mit Simpera eine Organisation geschaffen, die in der Ausbildung von Hilfshunden neue Wege geht. Ich traf den Unternehmer zum Gespräch über Herausforderungen, Innovationen und die Kraft der Mensch-Tier-Beziehung.
Von persönlicher Erfahrung zur Unternehmensgründung
Alwin Meyer: Ihre persönliche Geschichte ist eng mit der Mission von Simpera verwoben. Wie hat Ihre eigene Erfahrung mit Sehbehinderung Ihren Weg beeinflusst?
Marc Fehlmann: Meine Sehbehinderung wurde in der Schulzeit festgestellt. Als Jugendlicher konnte ich noch Velo und Moped fahren, aber meine Sehkraft verschlechterte sich im Laufe der Zeit. Meine Eltern kämpften dafür, dass ich eine integrative Beschulung erhielt, was damals alles andere als selbstverständlich war. Diese Erfahrung hat mich geprägt. Ich lernte früh, dass es immer einen Weg gibt, auch wenn er nicht offensichtlich ist. Diese Einstellung treibt mich bis heute an.
«Ich lernte früh, dass es immer einen Weg gibt, auch wenn er nicht offensichtlich ist. Diese Einstellung treibt mich bis heute an.»
Das klingt nach einer prägenden Erfahrung. Wie ging es dann für Sie weiter?
Nach meiner Ausbildung zum Technischen Handelskaufmann arbeitete ich zunächst in einer Institution für arbeitslose Menschen. Aber mein Herz schlug schon immer für die Arbeit mit Tieren.
Und wie kamen Sie dann zur Arbeit mit Hilfshunden?
1998 begann ich ein Fernstudium in Veterinärpsychologie und Ethologie. Der entscheidende Moment kam 2002, als ich als Hunde-Instruktor in einer Blindenführhundeschule startete. Da wusste ich: Das ist meine Berufung.
Innovation in der Hilfshundeausbildung
Sie sprechen von Berufung. Was macht die Arbeit mit Hilfshunden für Sie so besonders?
Es ist die unglaubliche Verbindung zwischen Mensch und Tier. 2004 hatte ich einen gesundheitlichen Rückschlag und lag fast eine Woche lang im Koma. Die Vorstellung, wieder mit den Hunden arbeiten zu können, gab mir die Kraft zur Genesung. Ich erkannte, dass Hunde weit mehr können, als wir ihnen zutrauen. Sie sind nicht nur Helfer, sondern Brückenbauer in die Gesellschaft. Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung unserer Ausbildungsprogramme, insbesondere des Selbstausbildungsprogramms für Assistenzhunde.
Können Sie uns mehr über Ihre Ausbildungsprogramme erzählen? Welche Arten von Hunden bilden Sie aus?
Wir fahren zwei Ansätze: die Fremdausbildung und die Selbstausbildung. Bei der Fremdausbildung, der klassischen Methode, wird ein fertig ausgebildeter Hund platziert. Unser innovativer Ansatz ist die Selbstausbildung: Der Hund kommt als Welpe zum zukünftigen Besitzer und wird unter unserer Anleitung von diesem selbst ausgebildet. Diese Methoden wenden wir bei der Ausbildung von Blindenführhunden, Assistenzhunden und Autismus-Begleithunden an. Jede dieser Hilfshundearten wird speziell für die jeweiligen Bedürfnisse ihrer zukünftigen Besitzer trainiert.
Welche Vorteile hat die Selbstausbildung?
Der grösste Vorteil ist die tiefe Bindung, die von Anfang an entsteht. Stellen Sie sich vor: Der Mensch und der Hund wachsen gemeinsam in ihre Rollen hinein. Das stärkt die Bindung enorm und ermöglicht eine viel individuellere Anpassung an die Bedürfnisse des Menschen.
Arbeiten Sie mit bestimmten Hunderassen oder wie wählen Sie die Hunde aus?
Wir setzen auf eine Vielfalt von Rassen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Klienten gerecht zu werden.
Labradors sind weltweit die am häufigsten eingesetzten Hilfshunde, aber wir arbeiten auch mit Golden Retrievern, Berner Sennenhunden und mit neueren Rassen wie dem Elo. Wir bevorzugen mittelgrosse Rassen, da sie sowohl stark genug für physische Unterstützung als auch wendig genug für den Alltag in verschiedenen Umgebungen sind.
160 Besichtigungen später: Die Nadel im Heuhaufen
Diese individuellen Ausbildungsprogramme klingen sehr vielversprechend. Für solch massgeschneiderte Ansätze benötigen Sie sicher besondere Rahmenbedingungen. Wie sieht es da mit Ihrer Infrastruktur aus?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Für unsere Arbeit brauchen wir tatsächlich sehr spezielle Voraussetzungen. Und genau das führte uns zu einer der grössten Herausforderungen: der Suche nach einer neuen, geeigneten Liegenschaft.
Können Sie uns mehr über diese Suche erzählen?
Wir haben tatsächlich 160 Liegenschaften angeschaut. Die Anforderungen sind anspruchsvoll: Wir brauchen genug Platz für bis zu 25 Hunde, Schulungsräume, Auslauf – und das alles muss mit den strengen Schweizer Vorschriften vereinbar sein. Wir dürfen nicht zu nahe an Wohngebieten sein, aber auch nicht zu weit weg von der Zivilisation, da wir ja Alltagssituationen trainieren müssen.
Das klingt nach einem Balanceakt. Wie sind Sie damit umgegangen?
Es war definitiv ein Balanceakt. Wir waren ständig zwischen den Stühlen. Für die Landwirtschaftszone gelten wir nicht als landwirtschaftlicher Betrieb, für die Gewerbezone sind wir zu speziell. Es war ein ständiges Verhandeln und Erklären. Aber wissen Sie was? Diese Herausforderungen haben uns nur noch mehr motiviert. Jetzt haben wir eine Liegenschaft in Wäldi im Thurgau gefunden, die perfekt zu uns passt.
swisspeers Finanzierung und Zukunftspläne
Können Sie uns mehr über Ihr Vorhaben mit der neuen Liegenschaft erzählen? Was bedeutet das finanziell für Simpera?
Die neue Liegenschaft ist ein Meilenstein für uns. Sie wird es uns ermöglichen, unsere Kapazität deutlich zu erhöhen. Unser Ziel ist es, bis 2026 jährlich 16 Hilfshunde auszubilden.
Die Liegenschaft kostet 3.38 Millionen Franken. Wir haben bereits 950’000 Franken an Eigenmitteln und zweckgebundenen Spenden zusammen, und eine Bank hat uns eine Hypothek von 1.8 Millionen zugesichert.
Für die verbleibenden 630’000 Franken sind wir nun auf der Suche nach einer Finanzierung – und da kommt die swisspeers Finanzierung ins Spiel.
«Unser Ziel ist es, bis 2026 jährlich 16 Hilfshunde auszubilden – das wäre mehr als eine Verfünffachung unserer aktuellen Kapazität.»
Das ist in der Tat eine beträchtliche Investition. Wie sind Sie in dieser Situation auf swisspeers aufmerksam geworden?
Ich habe swisspeers auf Google gefunden. Ich war anfangs skeptisch, ob Direct Lending für eine Non-Profit-Organisation wie uns passt. Aber mein Netzwerk hat mich ermutigt, es zu versuchen. Und ich muss sagen, die Offenheit und das Verständnis, das wir bei swisspeers erfahren haben, hat uns positiv überrascht.
Was hat Sie überzeugt, mit swisspeers zusammenzuarbeiten?
Es war die Kombination aus Flexibilität und Transparenz. Wir benötigten eine Finanzierungslösung, die unsere besondere Situation als Stiftung berücksichtigt. swisspeers hat nicht nur zugehört, sondern auch verstanden, was wir brauchen. Ausserdem gefällt mir die Idee, dass wir durch Crowdlending direkter mit swisspeers Investoren in Kontakt kommen, die an unsere Mission glauben.
Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen. Was sind Ihre Pläne für Simpera?
Neben der Erhöhung unserer Ausbildungskapazität planen wir auch, eine eigene Hundezucht aufzubauen, um noch gezielter züchten zu können. Wir möchten ein Forschungsprojekt initiieren, um die Wirksamkeit verschiedener Ausbildungsmethoden wissenschaftlich zu untersuchen.
Gesellschaftlicher Impact
Wie sehen Sie die gesellschaftliche Rolle von Simpera?
Wir sehen uns als Brückenbauer. Unsere Hunde helfen nicht nur einzelnen Menschen, sie verändern auch die Wahrnehmung von Behinderung in der Gesellschaft. Wenn ein Kind mit Autismus dank eines Autismusbegleithunds plötzlich kommunizieren kann oder ein blinder Mensch selbstständig durch die Stadt navigiert, verändert das Perspektiven.
«Unsere Hunde helfen nicht nur einzelnen Menschen, sie verändern auch die Wahrnehmung von Behinderung in der Gesellschaft.»
Vielen Dank für das Interview!
Firmenprofil
Die Stiftung Simpera, gegründet 2021, hat sich der Ausbildung von Hilfshunden verschrieben. Dabei konzentriert sich Simpera auf drei Bereiche: Blindenführhunde, Assistenzhunde und Autismus-Begleithunde. Mit innovativen Ausbildungsmethoden und einem besonderen Fokus auf die individuelle Mensch-Tier-Beziehung setzt Simpera neue Standards in der Assistenzhundeausbildung. Unter der Leitung des teilweise sehbehinderten Gründers Marc Fehlmann arbeitet die Stiftung daran, Menschen mit Behinderungen mehr Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Website: https://www.simpera.ch