Mit modernen Arbeitsmodellen gegen Fachkräftemangel
Ältere Arbeitnehmer sollen länger im Arbeitsmarkt integriert bleiben. (Foto: Photographee.eu – Fotolia)
Bern – Der Schweizerische Arbeitgeberverband und economiesuisse haben heute dargelegt, wie sie dazu beitragen wollen, dass mehr Personen über 50 im Arbeitsmarkt integriert bleiben. Damit wurde der Grundstein gelegt für das ambitionierte Projekt «Zukunft Arbeitsmarkt Schweiz» – ein langfristiges Engagement mit dem Ziel, die Erwerbsquote nicht nur unter älteren Personen, sondern auch unter Frauen, Jugendlichen und Menschen mit Behinderungen messbar zu erhöhen.
Bereits Anfang Januar hatten der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) und economiesuisse dargelegt, wie die neue Verfassungsbestimmung zur Zuwanderung umgesetzt werden soll. Neben einer Schutzklausel für die Migration aus Europa und Massnahmen des Staates bildet das Engagement der Unternehmen einen wichtigen Pfeiler des Modells. Konkret soll das inländische Arbeitskräftepotenzial noch besser genutzt werden, um den Bedarf an qualifizierten ausländischen Arbeitskräften zu reduzieren. SAV-Präsident Valentin Vogt stellte heute das Projekt «Zukunft Arbeitsmarkt Schweiz» den Medien vor. Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften werde basierend auf der demografischen Entwicklung hoch bleiben, so Vogt. Sein Fazit: «Die Bedeutung der inländischen Arbeitskräfte nimmt deshalb eine neue Dimension an.» Zwar würden nicht alle Unternehmen diesen Druck jetzt schon spüren. Für die Spitzenverbände sei die Herausforderung jedoch greifbar.
Ü50 zuerst im Fokus
Das Programm «Zukunft Arbeitsmarkt Schweiz» ist auf mehrere Jahre ausgerichtet und hat zum Ziel, verschiedene Personengruppen noch besser in den Arbeitsmarkt einzubinden, insbesondere Ältere, Frauen, Jugendliche und Personen mit Behinderungen. In der ersten Etappe des Projekts wird das Augenmerk vor allem auf die Altersgruppe der Ü50 gerichtet. Gemäss economiesuisse-Direktorin Monika Rühl denken die Wirtschaftsverbände von ihrer Basis her: Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass Apelle «von oben» wenig bewirken. «Deshalb wählen wir einen ‹bottom up›-Ansatz: Wir gehen von den Unternehmen aus und bündeln alle Aktivitäten im Bereich der Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials.» Im Rahmen des Projekts sollen auf nationaler wie auch auf regionaler Ebene gute Bespiele systematisch gesammelt und bekannt gemacht werden.
Bogenkarrieren und neue Pensionierungsmodelle
Ein Anfang ist bereits gemacht, denn sowohl die Verbände als auch viele fortschrittliche Unternehmen beschäftigen sich seit längerer Zeit mit diesem wichtigen Thema. «Mit einer Palette an neuen Pensionierungsmodellen und einem Lebensarbeitszeitmodell übernimmt die SBB Verantwortung angesichts der zukünftigen Entwicklungstendenzen und bietet personalpolitisch und ökonomisch sinnvolle Lösungen», erklärte Markus Jordi, Leiter Personal der SBB. Die demografische Situation führe bei den Bundesbahnen in den nächsten Jahren zu Pensionierungswellen, mit denen nicht nur ein Personalengpass, sondern auch ein grosser Verlust an Bahnfachwissen drohe. Deshalb sei es ein Gebot der Stunde, sich an die vermehrten Bedürfnisse nach mehr Flexibilität bei der Gestaltung des beruflichen und privaten Alltags anzupassen. Entsprechende Arbeitsmodelle treten bei den SBB ab Mai dieses Jahres schrittweise in Kraft.
Der Pharma-Konzern Novartis hat bereits 2007 das Programm «Prime Force» gestartet. Das Ziel: Ältere Mitarbeiter sollen ihr Know-how auf freiwilliger Basis der Firma auch nach der Pensionierung zur Verfügung stellen. Gemäss Thomas Bösch, Personalchef Novartis Schweiz, nehmen heute zwar erst 65 Personen am Programm teil, doch erwarte man in den nächsten Jahren einen deutlichen Anstieg. «Wer teilnimmt, gewinnt durch dieses Programm Wertschätzung und bereichernde Inhalte – das Unternehmen hingegen profitiert von der Flexibilität, dem Wissen und der Erfahrung.»
Die Migros setzt ihrerseits auf sogenannte Bogenkarrieren: Sie beinhalten eine Reduktion des Verantwortungsbereichs oder auch des Beschäftigungsgrads im letzten Berufsabschnitt. «Erfolgreich umgesetzt, bedeutet eine Bogenkarriere eine Win-win-Situation für den Mitarbeitenden und das Unternehmen», erklärte Marlène Honegger, Leiterin Personelles beim Migros-Genossenschafts-Bund. Dafür müssten aber zunächst intern die Voraussetzungen geschaffen werden, denn dieser Übergang in die dritte Lebensphase müsse angepasst auf die individuellen Umstände flexibel gestaltet werden. Nach guten Erfahrungen werde die Migros Bogenkarrieren künftig fest in ihren HR-Prozessen verankern.
Erfolgsmodelle sollen Schule machen
Die Spitzenverbände haben klare Signale, dass viele Unternehmen gerne solche und ähnliche Modelle umsetzen würden, es aber oft am nötigen Know-how mangelt. Dies soll das Projekt «Zukunft Arbeitsmarkt Schweiz» nun ändern. Der SAV und economiesuisse sehen sich in erster Linie als Vermittler und werden auch die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Branchenverbänden und weiteren interessierten Organisationen sicherstellen. Altersteilzeit, Führungs- und Weiterbildungsfragen sollen auf Regionalveranstaltungen und in den verbandsinternen Arbeitsgruppen thematisiert werden, damit erfolgreich erprobte Modelle schweizweit Schule machen. Gemäss Monika Rühl will man im Herbst ein erstes Fazit ziehen, gleichzeitig aber bereits den nächsten Teil des Projekts in Angriff nehmen: die bessere Einbindung gut ausgebildeter Frauen in den Arbeitsmarkt. (Arbeitgeberverband/mc/pg)