Bern – Die Krankenkassenprämien in der Schweiz steigen im kommenden Jahr vergleichsweise wenig. Für Erwachsene beträgt der Aufschlag im Mittel 2,2% und für Kinder 1,4%. Etwas stärker ist der Anstieg für 19- bis 25-Jährige mit 4,4%. Gesundheitsminister Didier Burkhalter sprach am Mittwoch in Bern von einem moderaten Anstieg. Es handle sich um das zweitbeste Resultat seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes im Jahr 1996. 2008 lag der Anstieg bei 0,5%, 2007 ebenfalls bei 2,2%.
Den stärkeren Anstieg von 4,4% für junge Erwachsene führt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) darauf zurück, dass junge Leute viel zum Risikoausgleich beitragen und deshalb mehrere Kassen die Rabatte für sie gesenkt haben.
Stärkster Anstieg in Appenzell Innerrhoden
Die kantonalen Unterschiede sind beträchtlich: In den Kantonen Tessin und Bern sinken die Durchschnittsprämien für Erwachsene. In fünf Kantonen (GR, NE, OW, TG, VD) steigen die Prämien weniger stark als im Landesmittel. Acht Kantone (AG, BL, GE, LU, SH, SO, SZ, VS) verzeichnen Anstiege zwischen 2,2 und 2,9%. Über 3% sind es in elf Kantonen (AI, AR, BS, FR, GL, JU, NW, SG, UR, ZG, ZH).
Den stärksten Aufschlag haben die Innerrhoder zu verkraften. In absoluten Zahlen liegen die Prämien in Appenzell Innerrhoden jedoch am untersten Ende der Skala. Baselstädter bezahlen 2012 in absoluten Zahlen am meisten für die Krankenkasse. Ihre Erwachsenen-Monatsprämie überschreitet die 500-Franken-Schwelle.
Der Prämienanstieg für jede einzelne Person hängt nicht nur vom Wohnkanton ab, sondern auch von der Krankenkasse und dem gewählten Versicherungsmodell.
Zwei neue Faktoren
Zwei Faktoren bestimmen die Prämien 2012 zusätzlich mit: Zum einen tritt im kommenden Jahr die neue Spitalfinanzierung in Kraft. Kassen und Kantone bezahlen stationäre Behandlungen im Spital zu festgesetzten Anteilen. Voraussetzung ist, dass das Spital auf der Spitalliste steht. Schweizweit löse diese Neuerung einen Prämienanstieg von rund 1% aus, sagte Burkhalter dazu. Je nach Kanton seien in der Übergangsphase die Auswirkungen auf die Prämien unterschiedlich.
Zum anderen haben die Kassen den ab 2012 geltenden verfeinerten Risikoausgleich eingerechnet. Neben Alter und Geschlecht der Versicherten gilt als zusätzliches Kriterium, ob Versicherte im Vorjahr mehr als drei Tage in einem Spital oder einem Pflegeheim verbracht haben.
Kassen-Reserven werden nicht belastet
Der moderate Prämienanstieg belaste die Reserven der Kassen nicht, betonte Burkhalter. Die effektiven Leistungen und die Verwaltungskosten der Versicherer seien gedeckt. 2010 hatten laut seinen Angaben 27 Kassen ein dünneres Finanzpolster als gesetzlich erlaubt. Im laufenden Jahr ist das noch bei 16 Kassen der Fall. Ende 2012 sollten alle Kassen wieder über dem Minimum liegen, sagte Burkhalter.
Etappensieg auf langer Tour
Burkhalter sprach von einem Etappensieg auf einer noch langen Tour: Die kurzfristigen Sparmassnahmen seit 2009 hätten Früchte getragen. Jährlich sei rund 1 Mrd CHF eingespart worden. Eine vierköpfige Familie müsse somit für die Prämien pro Jahr rund 400 CHF weniger ausgeben.
Eingriffe gab es bei Medikamentenpreisen, Laboranalysen in Praxen, höheren Spitalbeiträgen sowie bei Mitteln und Gegenständen – etwa die gestrichenen Beiträge der Grundversicherung an Sehhilfen. Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren und auch der Nationalrat wollen die Beiträge für Kinder wieder einführen.
Weitere Reformen unumgänglich
Um die steigenden Kosten im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen, seien weitere grundlegende Reformen unerlässlich, betonte Burkhalter. Beispiele sind Managed Care mit nochmals verfeinertem Risikoausgleich – zu der Vorlage wurde vor der bevorstehenden Schlussabstimmung im Parlament ein Referendum angekündigt -, eine bessere Aufsicht über die Kassen und das Präventionsgesetz. (awp/mc/pg)