Bern – Der Nationalrat hat am Dienstag über die steigenden Gesundheitskosten und den drohenden Prämienanstieg debattiert. Dabei wurde deutlich: Alle wollen die Kosten im Gesundheitswesen bremsen, alle wollen tiefere Krankenkassenprämien. Die Frage ist, wie das gehen soll.
Konkret beschäftigte sich die grosse Kammer mit der Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» der Mitte-Partei. Sie verlangt, dass Bundesrat, Bundesversammlung und Kantone eingreifen müssen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen. Zu stark wäre gemäss Initiativtext, wenn das Kostenwachstum pro versicherter Person um einen Fünftel über der Nominallohnentwicklung läge.
«Hohe Prämien werden zu Schuldenfallen», sagte Mitte-Sprecher Christian Lohr (TG). Es gelte nun, Kante zu zeigen. «Wir wollen die Kostenexplosion bei den Prämien nicht mehr weiter akzeptieren.» Deutlicher wurde Mitte-Präsident Gerhard Pfister (ZG). Er sprach von einem «Gesundheitskartell», das sich in diesem Milliardenmarkt selber erhalte. Das «Perpetuum mobile der falschen Anreize» müsse gestoppt werden.
Fraktionskollegin Ruth Humbel (AG) gab zu bedenken, dass nicht die Preise, sondern das Mengenwachstum das Hauptproblem sei. «Die Ressourcenverschwendung in unserem Gesundheitswesen ist enorm.» Mit einer besseren Koordination könnten Kosten eingespart werden, ohne Qualitätsverlust. Dafür sei die Initiative der richtige Weg.
«Mehr Wunschgedanke als Inhalt»
Die übrigen Fraktionen stellten sich in der allgemeinen Aussprache im Nationalrat jedoch gegen das Volksbegehren. Eine Kostenbremse, die weder den medizinisch-technischen Fortschritt noch die Alterung der Bevölkerung berücksichtige, sei gefährlich, lautete der Tenor.
«Die Kostenbremse-Initiative ist mehr Wunschgedanke als Inhalt», sagte Jörg Mäder (GLP/ZH). Es brauche konkrete Massnahmen, die das Gesundheitssystem effizienter machten, ohne den Zugang zu limitieren. Regine Sauter (FDP/ZH) kritisierte die Idee eines staatlich gelenkten Gesundheitswesens. Es brauche vielmehr eine bessere Koordination zwischen den Leistungserbringern.
Als «untauglich» bezeichnete SP-Sprecherin Barbara Gysi (SG) die Initiative der Mitte. Es fliesse nicht zu wenig Geld ins Gesundheitswesen, konstatierte sie. Die Mittel gingen nur manchmal an die falschen Stellen. Ziel müsse es sein, das Geld intelligenter einzusetzen.
Angst vor Bürokratie
Manuela Weichelt (Grüne/ZG) plädierte im Namen ihrer Fraktion dafür, dass zuerst die Wirkung der jüngsten Gesetzesrevisionen im Gesundheitswesen überprüft werden solle, bevor bereits wieder gehandelt werde. Beim Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) herrsche eine «Reformitis».
Auch für die grösste Fraktion im Nationalrat ist die Kostenbremse-Initiative keine valable Option. Der starre Mechanismus der Initiative mit der Koppelung an die Wirtschafts- und Lohnentwicklung greife zu kurz und sei kaum vereinbar mit dem Schweizer Gesundheitssystem, sagte Therese Schläpfer (SVP/ZH).
Wie die Grünen will ein Teil der SVP auch nichts von einem Gegenvorschlag zur Initiative wissen. Die gesetzlich vorgeschriebene Rationierung von Gesundheitsleistungen mache keinen Sinn – auch, weil damit eine «enorme Bürokratie» drohen würde, sagte Céline Amaudruz (SVP/GE).
Alternativen werden diskutiert
Trotzdem zeichnet sich ab, dass der Nationalrat nach der stundenlangen Debatte einen indirekten Gegenvorschlag verabschieden wird. Anders als der Bundesrat dürfte er im KVG aber keine Kostenzielvorgaben machen. Die Mehrheit der bisherigen Rednerinnen und Redner befürchtet, dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten darunter leiden könnte.
Stattdessen soll das Kostenwachstum in der obligatorischen Krankenversicherung mit konkreten Massnahmen bei den Tarifen und den Laboranalysen gebremst werden. So soll der Bundesrat beispielsweise unverzüglich überhöhte Vergütungen in der veralteten Tarifstruktur Tarmed für ambulante ärztliche Behandlungen senken. Mit weiteren Massnahmen sollen Bund und Kantone den nötigen Spielraum erhalten, um ohne Leistungsabbau Kosten zu senken.
Die aktuelle Debatte in der grossen Kammer erinnert an zahlreiche Diskussionen zum Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren – und es wird nicht die letzte sein in der laufenden Sommersession. In zwei Wochen debattiert der Nationalrat ein weiteres Mal, wie die Kosten im Gesundheitswesen weiter gesenkt werden können. Dann wird es um die Volksinitiative «Maximal zehn Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» der SP gehen. (awp/mc/ps)