Block 1 des AKW Beznau.
Bern – Der Nationalrat will die Laufzeit von Atomkraftwerken nicht generell beschränken. Ab 40 Betriebsjahren sollen die Betreiber aber Langzeitbetriebskonzepte vorlegen müssen. Und für die ältesten AKW soll spätestens nach 60 Jahren Schluss sein – für Beznau I im Jahr 2029.
Mit diesen Entscheiden hat der Nationalrat am Montag die Beratungen zur Energiestrategie nach insgesamt rund 20 Stunden abgeschlossen. Zur Diskussion standen verschiedene Varianten. Generell gegen strengere Regeln stellten sich die SVP und die FDP. Auch der Bundesrat hält die heutige Regel für ausreichend, wonach die AKW so lange laufen dürfen, wie die Aufsichtsbehörde ENSI sie als sicher einstuft.
Die Atomkraftwerke sollten nicht mit einem politischen Enddatum versehen werden, sagte Energieministerin Doris Leuthard. Sie warnte vor Entschädigungsforderungen der AKW-Betreiber. Alles, was nach Befristung rieche, könnte Folgen haben für die Steuerzahler. Ausserdem brauche es Zeit, die erneuerbaren Energien auszubauen.
Steigendes Risiko
Für strengere Regeln setzten sich die Vertreter der SP, der Grünen, der Grünliberalen und der CVP ein. In der Schweiz stünden die weltweit ältesten AKW, gaben sie zu bedenken. Das Risiko steige mit dem Alter, daher müssten auch die Sicherheitsanforderungen steigen.
Da es keine neuen AKW geben werde, könnten die Betreiber versucht sein, die alten Meiler so lange wie möglich am Laufen zu halten – möglichst ohne Investitionen, sagte Martin Bäumle (GLP/ZH). Max Chopard-Acklin (SP/AG) fragte, wer die Verantwortung übernehme, wenn im dicht besiedelten Mittelland etwas passiere. Die politische Verantwortung könne nicht delegiert werden, auch nicht an die Aufsichtsbehörde ENSI.
Abgeschwächtes Langzeitbetriebskonzept
Das ENSI selbst wünscht sich präzisere Regeln. Die Nationalratskommission schlug daher vor, dass die Betreiber vor Ablauf von 40 Betriebsjahren ein Langzeitbetriebskonzept vorlegen müssen, das eine steigende Sicherheit gewährleistet. Ein AKW soll nur dann weitere 10 Jahre laufen dürfen, wenn das ENSI dieses Konzept bewilligt.
Nach Ablauf der Frist sollen die Betreiber jeweils erneut ein Konzept vorlegen dürfen. Im Gesetz sollte ausserdem verankert werden, dass die AKW-Betreiber keine Entschädigung verlangen können, wenn das ENSI sie auf Basis dieser Regeln zum Abschalten zwingt.
Der Nationalrat sprach sich aber für eine abgeschwächte Version aus. Die Langzeitbetriebskonzepte sollen nicht «steigende Sicherheit», sondern lediglich «Sicherheit» gewährleisten. Dies entschied er mit 95 zu 94 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Ausserdem strich der Rat den Passus zu den Entschädigungsforderungen, mit 97 zu 96 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Beantragt hatte dies BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche (BDP/BE).
Nach 60 Jahren ist Schluss für Beznau
Nein sagte der Nationalrat zu Vorschlägen für eine Laufzeitbeschränkung für alle Atomkraftwerke. Er setzte aber eine Beschränkung für die ältesten AKW – jene, die bereits mehr als 40 Jahre in Betrieb sind, wenn das Gesetz in Kraft tritt: Sie sollen höchstens 60 Jahre laufen dürfen.
Die ältesten AKW sind Beznau I und II (1969 und 1971) sowie Mühleberg (1972). Sie laufen seit 45, 43 und 42 Jahren. Für Mühleberg hat die Betreiberin BKW die Stilllegung allerdings angekündigt, das AKW soll 2019 vom Netz gehen. Damit würden die neuen Regeln die Beznau-Betreiberin Axpo betreffen. Benzau I müsste 2029 vom Netz gehen, Beznau II 2031. Durchgesetzt hat sich hier eine Minderheit aus Vertretern von Mitte- und Linksparteien. Gegenüber dem Kommissionsvorschlag obsiegte sie mit 101 zu 94 Stimmen.
Ja zum Verbot neuer AKW
Weniger zu diskutieren als die Laufzeiten gab das Verbot neuer AKW. Der Nationalrat will im Gesetz verankern, dass keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden dürfen. Er bestätigte mit 115 zu 77 Stimmen bei 3 Enthaltungen den Entscheid, den er im Herbst 2011 im Grundsatz getroffen hatte.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 mit 110 zu 84 Stimmen bei 1 Enthaltung gut. Es geht nun an den Ständerat. Der Nationalrat ist in weiten Teilen dem Bundesrat und seiner vorberatenden Kommission gefolgt.
Mehr Geld für erneuerbare Energien
Er hat sich damit einverstanden gezeigt, die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien stärker zu fördern. Ausserdem sollen Windturbinen oder Wasserkraftwerke künftig unter Umständen auch in Naturschutzgebieten gebaut werden dürfen.
Gleichzeitig will der Nationalrat das Stromsparen und die Energieeffizienz fördern. Er hat sich für ein Bonus-Malus-System ausgesprochen: Elektrizitätswerke, die ein Netz betreiben, sollen Geld verdienen können, wenn sie weniger Strom verkaufen. Ja sagte der Nationalrat ausserdem zu mehr Bundesgeldern für Gebäudesanierungen und strengeren Regeln für Autoimporteure.
Am Dienstag wird sich der Nationalrat noch mit der Atomausstiegsinitiative der Grünen befassen. Diese verlangt, dass alle Schweizer AKW höchstens 45 Jahre laufen dürfen. Beznau I müsste ein Jahr nach Annahme der Initiative vom Netz gehen. Über die Initiative wird in jedem Fall das Volk entscheiden, sofern sie nicht zurückgezogen wird. Über die Gesetzesänderungen entscheidet das Volk nur, wenn dagegen das Referendum ergriffen wird. (awp/mc/upd/ps)