Nationalrat diskutiert über Cannabis-Artikel
Bern – Der Nationalrat ist im Grundsatz für Versuche zur kontrollierten Cannabis-Abgabe. Das hat er bereits im Dezember entschieden. Am Dienstagnachmittag berät er nun die Details des Experimentierartikels. Die SVP und die Mitte-Fraktion wollen höhere Hürden für Versuche.
Sie hatten in der Wintersession erfolglos versucht, die Vorlage im Keim zu ersticken. Die Gegner argumentierten, es sei widersprüchlich, beim Rauchen laufend strengere Regeln zu erlassen und beim Kiffen solche Versuche zuzulassen. Das Geld solle besser für Drogenprävention ausgegeben werden.
Die Mehrheit hält die heutige Repressionspolitik jedoch für eine Sackgasse. Der Nationalrat hatte daher entschieden, auf die Vorlage einzutreten. Das Geschäft wäre eigentlich in der Frühlingssession beraten worden. Es fiel jedoch dem Sessionsabbruch wegen des Coronavirus zum Opfer.
Befristete Versuche
Die vorberatende Gesundheitskommission unterstützt im Wesentlichen die Vorschläge des Bundesrats. Dieser will eine gesetzliche Grundlage für wissenschaftliche Pilotversuche mit Cannabis schaffen. Ziel ist es, alternative Regelungsansätze für den Umgang mit der Droge zu prüfen, ohne diese vorwegzunehmen. Der Gesundheits- und Jugendschutz, der Schutz der öffentlichen Ordnung sowie die öffentliche Sicherheit müssen dabei gewährleistet sein. Der Experimentierartikel wäre auf zehn Jahre befristet.
Hintergrund der Gesetzgebung ist die verweigerte Bewilligung für eine Cannabis-Studie der Universität Bern. Das Bundesamt für Gesundheit war zum Schluss gekommen, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Diese Lücke soll mit dem Experimentierartikel geschlossen werden.
Höhere Hürden
Die Gesundheitskommission will ergänzen, dass auch die Entwicklung des Gesundheitszustands der Versuchsteilnehmer untersucht werden muss. Zudem soll für die Versuche nur einheimischer Bio-Hanf verwendet werden. Die SVP, teilweise unterstützt von der Mitte-Fraktion, beantragt zusätzliche Einschränkungen.
So sollen bei der Auswahl der Versuchsteilnehmenden auch Gesundheits- und Sicherheitskriterien eine Rolle spielen. Arbeitgeber und Schulen sollen über die Teilnahme von Angestellten beziehungsweise Schülerinnen und Schülern informiert werden. Zudem sollen sich die Versuchsteilnehmenden registrieren lassen und den Führerschein abgeben müssen. Der THC-Gehalt des abgegebenen Cannabis soll höchstens 15 Prozent betragen dürfen.
Keine Legalisierung
Die Cannabis-Legalisierung ist nicht das Ziel der Gesetzgebung. Das hat Gesundheitsminister Alain Berset in der Vergangenheit immer wieder betont. Ohne das allgemeine Verbot infrage zu stellen, müssten «alternative Regulierungsmodelle» getestet werden können. Im Zentrum stehe die Frage, welche Regelung die öffentliche Gesundheit am wenigsten belaste.
Der Bundesrat hat auch bereits dargelegt, wie er den Experimentierartikel in der Verordnung zu konkretisieren gedenkt. Versuche sollen örtlich auf eine oder mehrere Gemeinden begrenzt sein und höchstens fünf Jahre dauern. Daran sollen maximal 5000 Personen teilnehmen.
Nur für Kiffer
Um den Jugendschutz zu gewährleisten, sind Minderjährige davon ausgeschlossen. Volljährige Personen, die an einer Studie teilnehmen möchten, müssen nachweislich bereits Cannabis konsumieren. Ausserdem müssen die Teilnehmenden ihren Wohnsitz in einer Gemeinde haben, in der eine Studie durchgeführt wird. Menschen, die an einer ärztlich diagnostizierten Krankheit leiden oder verschreibungspflichtige Psychopharmaka einnehmen, wären von den Versuchen ausgeschlossen.
Die Teilnehmenden könnten bis zu 10 Gramm des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) pro Monat erwerben. Im Durchschnitt enthalten getrocknete Cannabis-Blüten rund 10 Prozent THC. Der Bundesrat will die Grenze so hoch ansetzen, um herauszufinden, ob bei einem kontrollierten Zugang zu Cannabis mehr konsumiert wird, wie er in der Botschaft schreibt. (awp/mc/ps)