Nationalrat fällt erste Entscheide zu Stromnetzen
Bern – Der Nationalrat hat am Montag mit den Beratungen über den Ausbau der Stromnetze begonnen und erste Entscheide gefällt. Zu reden gibt vor allem die Soforthilfe für die Wasserkraft, welche die Kommission vorschlägt. Darüber entscheidet der Rat jedoch erst am Dienstag.
Mit dem Gesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze will der Bundesrat die Leitungen für die Energiewende fit machen. Unter anderem sollen die Bewilligungsverfahren optimiert und beschleunigt werden.
Auch wird geregelt, wann die Leitungen in den Boden verlegt werden. Im Nationalrat war diese Frage umstritten. Mit 94 zu 90 Stimmen bei 4 Enthaltungen beschloss der Rat jedoch, im wesentlichen Punkt dem Bundesrat und dem Ständerat zu folgen.
Künftig soll das Verteilnetz grundsätzlich im Boden verlegt werden, sofern das technisch und betrieblich möglich ist und die Mehrkosten gegenüber einer Freileitung nicht zu hoch sind. Wie viel mehr die Erdleitung kosten darf, legt der Bundesrat fest, doch ist im Gesetz eine Obergrenze verankert. Demnach darf die Erdleitung höchstens drei Mal mehr kosten als die Freileitung.
Eine Minderheit aus SVP- und FDP-Vertretern plädierte vergeblich für eine tiefere Obergrenze. Demnach sollte die Erdleitung höchstens zwei Mal mehr kosten dürfen als die Freileitung. Die Mehrheit befand, damit könnten in vielen bewohnten Siedlungen keine Erdkabel verlegt werden. Er wünsche viel Vergnügen mit der betroffenen Bevölkerung, sagte Karl Vogler (CSP/OW) dazu.
Der Nationalrat blieb bei der Obergrenze somit auf Bundesrats- und Ständeratslinie. Allerdings will er zusätzliche Kriterien im Gesetz verankern, die bei der Festlegung des Mehrkostenfaktors berücksichtigt werden sollen, darunter die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und die Netznutzungsentgelte.
Hochspannungsleitungen nicht zwingend im Boden
Dem Bundesrat und dem Ständerat gefolgt ist der Nationalrat auch bei Leitungen mit einer Spannung von 220 Kilovolt oder höher, der höchsten Spannungsebene. Diese können als Freileitung oder Erdkabel ausgeführt werden. Mit 94 zu 92 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat die grosse Kammer einen Antrag abgelehnt, wonach solche Leitungen nur ausnahmsweise im Boden verlegt werden sollten.
Weitere Entscheide wird der Nationalrat am Dienstag fällen. Umstritten sind vor allem Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraftwerke. Die Energiekommission des Nationalrates ist der Auffassung, solche brauche es rasch. Sie will deshalb neue Regeln zur Grundversorgung in die Vorlage über den Um- und Ausbau der Stromnetze einbauen.
Damit reagierte sie auf einen Entscheid des Ständerates. Dieser will Stromunternehmen wieder erlauben, die Kosten der Eigenproduktion vollständig den gebundenen Kunden in der Grundversorgung anzulasten. Von günstig zugekauftem Strom würden damit nur die Grosskunden profitieren – eine Praxis, die das Bundesgericht gestoppt hatte.
Die Nationalratskommission bevorzugt eine andere Lösung: Verbraucher in der Grundversorgung sollen nur noch Strom aus Wasserkraft erhalten – für die Wasserkraftwerke eine faktische Abnahmegarantie. Was diese Haushalte und KMU kosten würde, wurde aber nicht abgeklärt. Zudem gab es nie eine Vernehmlassung, was auf Kritik stiess.
Ein Teil des Nationalrates möchte die Kritik berücksichtigen und diesen Teil der Vorlage an die Kommission zurückweisen, wie es FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (BE) vorschlägt. Der Antrag dürfte im Rat eine Mehrheit finden.
Auf Anhieb klinge der Vorschlag der Kommission zur Unterstützung der Wasserkraft zwar sympathisch, sagte Christian Imark (SVP/SO) in der Eintretensdebatte. Doch niemand kenne die Kostenauswirkungen auf den kleinen Konsumenten. «Das ist einfach keine seriöse Politik.»
Manche sprachen sich für den Vorschlag Wasserfallens aus, obwohl sie in der Kommission für deren Lösung gestimmt hatten – unter ihnen Martin Bäumle (GLP/ZH). Die Kommissionslösung sei nach dem Ständeratsentscheid als Kompromiss gedacht gewesen, erklärte er. Von Beginn weg sei er aber skeptisch gewesen, ob das der richtige Weg sei.
Die Befürworter einer Sofortlösung aus den Reihen der CVP, der SP und der Grünen erinnerten daran, dass die Wasserkraftwerke in Bedrängnis seien. Konkurse seien nicht ausgeschlossen. Bastien Girod (Grüne/ZH) versicherte, die finanziellen Auswirkungen der Kommissionslösung auf die Konsumenten wären minim.
Leuthard gegen «Schnellschuss»
Ferner betonten die Befürworter, der Ständerat habe die Diskussion ausgelöst. Dessen Lösung sei «völlig inakzeptabel», sagte Roger Nordmann (SP/VD). Damit würden die Haushalte die Grossunternehmen subventionieren. Der Vorschlag der Nationalratskommission sei besser, doch werde ein Teil seiner Fraktion den Antrag Wasserfallens unterstützen. Auch die CVP-Fraktion ist gespalten.
Energieministerin Doris Leuthard lehnt einen «Schnellschuss» ab. Eine solche Regelung – ob in der Version des Ständerates oder der Nationalratskommission – habe nichts in dieser Stromnetz-Vorlage verloren, stellte sie fest. Ausserdem ist die Lösung laut Leuthard inhaltlich problematisch. Die Haushalte und KMU wären die «Gelackmeierten», sagte sie. (awp/mc/ps)