Bern – Der Nationalrat hat am Dienstag die gesetzlichen Grundlagen zum Um- und Ausbau der Stromnetze gutgeheissen. Dabei lehnte er es ab, Massnahmen zur Unterstützung der Wasserkraft einzubauen. Erst sollen die Konsequenzen geklärt werden.
Mit 131 zu 58 Stimmen bei 3 Enthaltungen nahm der Rat einen entsprechenden Antrag von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (BE) an. Damit entschied er sich gegen den Vorschlag seiner Energiekommission, den die Grünen sowie Teile der SP und der CVP unterstützten.
Die Kommission war zum Schluss gekommen, es brauche rasch Hilfe für die Wasserkraftwerke. Sie wollte deshalb neue Regeln zur Grundversorgung in die Stromnetz-Vorlage einbauen. Damit reagierte sie auf einen Entscheid des Ständerates.
Dieser will Stromunternehmen wieder erlauben, die Kosten der Eigenproduktion vollständig den gebundenen Kunden in der Grundversorgung anzulasten. Von günstig zugekauftem Strom würden damit nur die Grosskunden profitieren – eine Praxis, die das Bundesgericht gestoppt hatte.
«Nicht seriös»
Die Nationalratskommission bevorzugte eine andere Lösung: Verbraucher in der Grundversorgung sollten nur noch Strom aus Wasserkraft erhalten – für die Wasserkraftwerke eine faktische Abnahmegarantie. Was diese Haushalte und KMU kosten würde, wurde aber nicht abgeklärt. Zudem gab es nie eine Vernehmlassung.
Im Nationalrat befand nun die Mehrheit, dieses Vorgehen sei nicht seriös. Der Rat hat deshalb den umstrittenen Teil der Vorlage an die Kommission zurückwiesen. «Wenn die Kommission ohne Kenntnisse von Folgen und Kosten und ohne Umsetzungsvorschläge einen solchen Markteingriff beschliesst, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob da alles mit rechten Dingen zu- und hergegangen ist», sagte Wasserfallen.
Als Kompromiss gedacht
Laut den Gegnern würden den Haushalten und KMU mit der Kommissionslösung bis zu 550 Millionen Franken aufgebürdet. Die Befürworter stritten dies ab. Manche sprachen sich für den Vorschlag Wasserfallens aus, obwohl sie in der Kommission für deren Lösung gestimmt hatten – unter ihnen Martin Bäumle (GLP/ZH).
Die Kommissionslösung sei nach dem Ständeratsentscheid als Kompromiss gedacht gewesen, erklärte er. Er wies darauf hin, dass die Stromunternehmen und die Kantone in der Kommission die Lage der Wasserkraftwerke dramatisch geschildert hätten. Ursprünglich hätten sie zudem viel mehr gefordert.
Teilliberalisierung schuld
Die Befürworter einer Sofortlösung aus den Reihen der CVP, der SP und der Grünen warnten vor Konkursen. «Wer die Wasserkraft nicht fallen lassen will, sollte den Antrag Wasserfallen fallen lassen», sagte Bastien Girod (Grüne/ZH).
Jacqueline Badran (SP/ZH) stellte fest, mit der Kommissionslösung würden die einheimische erneuerbare Energie gestärkt und der ausländische Drecksstrom geschwächt. Es handle sich auch um eine Investition in die Versorgungssicherheit. Einziger Wermutstropfen sei, dass nur die Haushalte und KMU bezahlen müssten. Daran sei aber die Teilliberalisierung schuld.
Kommission «hereingefallen»
Energieministerin Doris Leuthard stellte sich gegen den Kommissionsvorschlag. Die Haushalte und KMU wären die «Gelackmeierten», sagte sie. Einige Stromunternehmen hätten das Gesetz nicht eingehalten und müssten nach dem Bundesgerichtsurteil zwischen 30 und 50 Millionen Franken zurückerstatten. Nun möchten sie das Gesetz ändern, mit Rückwirkung. «Der Ständerat ist darauf hereingefallen, und leider auch die Mehrheit Ihrer Kommission», sagte Leuthard.
Hinter den Kulissen positionierten sich die Akteure bereits mit Blick auf die anstehenden Entscheide zum Wasserzins, gab die Energieministerin weiter zu bedenken. Dass die Bergkantone diesen mit Sorge entgegenblickten, verstehe sie. Änderungen beim Wasserzins seien aber unumgänglich. Der Bundesrat will demnächst Vorschläge dazu in die Vernehmlassung schicken.
Ständerat am Zug
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage ohne Gegenstimmen bei einigen Enthaltungen an. Nun ist wieder der Ständerat am Zug. Mit dem Gesetz über den Um- und Ausbau der Stromnetze will der Bundesrat die Leitungen für die Energiewende fit machen. So sollen die Bewilligungsverfahren optimiert und beschleunigt werden.
Umstritten ist unter anderem, ob die Kosten intelligenter Mess- und Steuersysteme den Netzkosten angerechnet werden können. Der Bundesrat und der Ständerat wollen sie zu den anrechenbaren Kosten zählen. Der Nationalrat hat mit 99 zu 92 Stimmen beschlossen, den entsprechenden Artikel zu streichen. Weiter will der Nationalrat im Gesetz verankern, dass der Verkauf und die Installation von intelligenten Messsystemen nicht den Netzbetreibern vorbehalten sind.
Leitungen in den Boden
Am Montag hatte der Nationalrat sich mit der Frage befasst, wann Leitungen im Boden verlegt werden sollen. Leitungen mit der höchsten Spannung können als Freileitung oder Erdkabel ausgeführt werden. Das Verteilnetz dagegen soll künftig grundsätzlich im Boden verlegt werden, sofern das technisch und betrieblich möglich ist und die Mehrkosten gegenüber einer Freileitung nicht zu hoch sind.
Wie viel mehr die Erdleitung kosten darf, legt der Bundesrat fest, doch ist im Gesetz eine Obergrenze verankert. Demnach darf die Erdleitung höchstens drei Mal mehr kosten als die Freileitung. Eine Minderheit aus SVP- und FDP-Vertretern plädierte vergeblich für eine tiefere Obergrenze. Allerdings will der Nationalrat zusätzliche Kriterien im Gesetz verankern, die berücksichtigt werden sollen. (awp/mc/ps)