Bern – Der Nationalrat hat am Freitag die Aktienrechtsrevision zu Ende beraten. In der Gesamtabstimmung nahm er die Vorlage knapp an, mit 101 zu 94 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Die SVP- und fast die gesamte FDP-Fraktion stimmten wegen der «Frauenquote» Nein.
Der Nationalrat hatte sich am Vortag mit nur einer Stimme Differenz dafür ausgesprochen, im Aktienrecht Geschlechterrichtwerte zu verankern, um den Frauenanteil in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen zu erhöhen.
Im Verwaltungsrat börsenkotierter Gesellschaften mit mehr als 250 Mitarbeitenden sollen mindestens 30 Prozent Frauen sitzen, in der Geschäftsleitung mindestens 20 Prozent. Sanktionen sind nicht vorgesehen. Erfüllt ein Unternehmen die Richtwerte nicht, muss es sich lediglich erklären.
Mehrheit der vertretenen Stimmen
Am Freitag hatte der Rat noch über verschiedene Rechte und Pflichten der Aktionäre zu entscheiden. Nach seinem Willen soll die Generalversammlung ihre Beschlüsse weiterhin mit der Mehrheit der vertretenen Aktienstimmen fassen.
Der Bundesrat möchte dies ändern. Nach seinem Willen soll – wie im Parlament – die Mehrheit der abgegebenen Stimmen massgebend sein. Der Nationalrat befürchtete aber, damit könnte plötzlich eine kleine anwesende Minderheit der anwesenden Aktionären zur Mehrheit werden.
Justizministerin Simmonetta Sommaruga stellte dazu fest, es mache ein bisschen den Eindruck, als ob es gewissen Verwaltungsräten grosser Gesellschaften nicht passe, dass sie in Zukunft nicht mehr auf einen Pool von Nein-Stimmen zählen könnten.
Geltendes Recht bei Stimmrechtsaktien
Bei den Stimmrechtsaktien will der Nationalrat ebenfalls beim geltenden Recht bleiben. Demnach darf der Nennwert der übrigen Aktien das Zehnfache des Nennwertes der Stimmrechtsaktien nicht übersteigen.
In börsenkotierten Gesellschaften sollen Aktionäre, die zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, nach dem Willen des Nationalrates vom Verwaltungsrat schriftlich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen können. Der Bundesrat schlägt eine Schwelle von 5 Prozent vor.
Aktionäre börsenkotierter Unternehmem können die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen verlangen, wenn sie zusammen über mindestens 3 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen. Hier folgte der Rat mit 103 zu 93 Stimmen seiner Kommission. Der Bundesrat sprach sich für 0,5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen aus.
Sonderuntersuchung nur bei Schädigung
Umstritten waren ferner die Regeln zu Sonderuntersuchungen. Widersetzt sich die Mehrheit der Aktionäre dem Antrag auf eine Sonderuntersuchung, können die unterlegenen Aktionäre beim Gericht deren Anordnung beantragen.
Geht es nach dem Nationalrat, ordnet das Gericht die Sonderuntersuchung aber nur dann an, wenn die Gesuchsteller glaubhaft machen, dass die Stauten verletzt wurden und die Gesellschaft oder die Aktionäre geschädigt wurden. Der Bundesrat hätte lediglich voraussetzen wollen, dass die Verletzung der Statuten geeignet ist, die Gesellschaft oder die Aktionäre zu schädigen.
Ohne Sonderuntersuchung könne der Nachweis einer Schädigung oft nicht erbracht werden, gab Sommaruga zu bedenken. Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) stellte fest, bisher sei eine Sonderuntersuchung nur im Fall der Swissair erfolgt. Der Rat sprach sich aber dagegen aus, die Schwelle zu senken.
Geschäftsbericht und Revisionsberichte
Dem Bundesrat gefolgt ist der Rat dagegen bei den Regeln zur Bekanntmachung des Geschäftsberichts. Er will hier beim geltenden Recht bleiben. Die vorberatenden Kommission hätte im Gesetz verankern wollen, dass der Geschäftsbericht und die Revisionsberichte den Aktionären spätestens mit der Einberufung der Generalversammlung zugänglich gemacht werden müssen.
Weiter beschloss der Nationalrat, dass der Verwaltungsrat die Zahlungsfähigkeit nicht zwingend auf der Grundlage eines Liquiditätsplans überwachen muss. Er nahm einen Einzelantrag von Hans-Ueli Vogt (SVP/ZH) an, der argumentierte, das Gesetz brauche das Instrument der finanziellen Führung nicht zu nennen.
Am Vortag hatte sich der Nationalrat unter anderem dafür ausgesprochen, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte und Umweltschutz auch bei ihren Geschäften im Ausland achten sollen. Als Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative will er Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln festlegen. Diese Bestimmungen löste er aber aus der Aktienrechtsrevision heraus.
Die Aktienrechtsrevision und der Gegenvorschlag gehen nun an den Ständerat. (awp/mc/pg)