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Bern – Nach dem knappen Nein zur CVP-Initiative gegen die «Heiratsstrafe» wird weiter um die Besteuerung von Ehepaaren gerungen. Geht es nach dem Nationalrat, sollen Ehepartner künftig getrennt besteuert werden.
Wäre die CVP-Initiative angenommen worden, wäre die Individualbesteuerung ausgeschlossen gewesen. Die Initianten wollten in der Verfassung verankern, dass Ehepaare gemeinsam besteuert werden. Nach dem Nein ist die Individualbesteuerung weiterhin eine Option – und für die Mehrheit im Nationalrat die bevorzugte. Der Nationalrat möchte den Bundesrat beauftragen, dem Parlament eine entsprechende Steuerreform vorzulegen. Er hat am Donnerstag mit 92 zu 88 Stimmen bei 6 Enthaltungen einer Motion seiner Finanzkommission zugestimmt. Dagegen stellten sich die SVP und die CVP. Die Fronten blieben also dieselben wie im Abstimmungskampf.
Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Ob sich bei den Kantonsvertretern ebenfalls eine Mehrheit für die Individualbesteuerung findet, ist offen: 16 Kantone nahmen die CVP-Initiative am 28. Februar an.
Vorschläge in einigen Monaten
Der Bundesrat hatte schon vor der Abstimmung angekündigt, er werde einen neuen Anlauf für eine Steuerreform nehmen, um die noch existierenden Fälle der steuerlichen Benachteiligung von Ehepaaren zu eliminieren. Die Vorschläge sollen in einigen Monaten vorliegen. Der Nationalrat möchte nun die Richtung vorgeben.
Die Befürworterinnen und Befürworter der Individualbesteuerung argumentierten, diese sei das gerechteste Modell. Zudem würde sie Frauen auf den Arbeitsmarkt bringen. Die heutige gemeinsame Besteuerung halte Frauen von der Erwerbsarbeit ab, da das zweite Einkommen wegen der Progression stärker belastet werde.
Keine neuen Ungleichheiten
Die Individualbesteuerung trage der gesellschaftlichen Entwicklung und der Gleichstellung von Mann und Frau Rechnung, sagte Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH) im Namen der Kommission. Für die Wirtschaft sei das wichtig, auch mit Blick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und den Fachkräftemangel.
Thomas Weibel (GLP/ZH) stellte fest, die Individualbesteuerung sei die einzige Möglichkeit, die heutigen Ungleichheiten zu beseitigen, ohne neue zu schaffen. Mit anderen Modellen würden Konkubinatspaare benachteiligt. Die Kosten sprächen nicht gegen die Individualbesteuerung, sie hingen von der konkreten Ausgestaltung ab, sagte Weibel. Die Besitzstandwahrung sei nicht sakrosankt.
Hohe Kosten und Mehraufwand
Anderer Auffassung sind die SVP sowie die CVP. Auch nach dem Nein zur Initiative gegen die «Heiratsstrafe» wollen die Parteien nichts wissen von der Individualbesteuerung. Für die CVP sei die Ehe nach wie vor eine wirtschaftliche Gemeinschaft, sagte Alois Gmür (CVP/SZ). Die Heiratsstrafe müsse endlich beseitigt werden, und das mit möglichst wenig Bürokratie. Die Individualbesteuerung bringe zusätzliche Kosten und sei ein «Bürokratiemonster». Jedes Ehepaar müsste zwei Steuererklärungen ausfüllen, die Verwaltung hätte erheblichen Mehraufwand.
«Abschaffung der Ehe durch die Hintertür»
Thomas Aeschi (SVP/ZG) warnte vor der «Abschaffung der Institution Ehe durch die Hintertür». In der Ehe gebe es die Gütergemeinschaft. Werde im Steuerrecht eine Gütertrennung eingeführt, entstehe eine massive Diskrepanz.
Das wichtigste Argument gegen die Individualbesteuerung und für ein Splitting-Modell sei aber der Föderalismus, sagte Aeschi. Die meisten Kantone hätten das Splitting eingeführt. Würde der Bund die Individualbesteuerung einführen, müssten sie ihre Steuermodelle erneut anpassen. Dass die Kantone mit 30 bis 50 Prozent höheren Kosten rechneten, sei ernst zu nehmen.
Maurer: Kompromiss finden
Maurer stellte fest, die Diskussion wiederhole sich seit 30 Jahren. Der Teufel stecke im Detail, und die Situation sei nach der Volksabstimmung nicht einfacher geworden. «Wenn wir zu einer Lösung kommen wollen, wird es in irgend einer Form einen Kompromiss zwischen verschiedenen Vorstellungen brauchen», sagte Maurer.
Er gab zu bedenken, dass die Individualbesteuerung nicht so einfach sei, wie sich das manche vorstellten. Das Bundesgericht habe festgehalten, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in diesem Modell zu berücksichtigen sei. Es müsste also ergänzt werden um Komponenten wie den Kindesunterhalt.
Splitting oder alternative Berechnung
Maurer wies ferner darauf hin, dass noch weitere parlamentarische Vorstösse hängig seien, darunter auch solche, die das Splitting-Modell forderten. Dabei wird Gesamteinkommen eines Ehepaars für die Besteuerung geteilt, entweder durch zwei (Vollsplitting) oder eine kleinere Zahl (Teilsplitting).
Zur Diskussion steht auch eine weitere Variante: Die Steuerbehörde würde bei Ehepaaren zwei Berechnungen vornehmen, die ordentliche und eine alternative, die sich an die Besteuerung unverheirateter Paare anlehnt. In Rechnung gestellt würde dann der tiefere Betrag. Die Diskussionen über die Ehepaar-Besteuerung dürften noch länger andauern. (awp/mc/pg)