Nationalrat versenkt Ärztestopp mit äusserst knapper Mehrheit

Krankenkasse

(Foto: 18percentgrey - Fotolia.com)

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Bern – Der Zulassungsstopp für Ärzte ist in der Schlussabstimmung der neuen rechtsbürgerlichen Mehrheit im Nationalrat zum Opfer gefallen. SVP und FDP haben die Vorlage versenkt, mit der die Zulassung von einem Bedürfnis abhängig gemacht werden sollte.

Die Abstimmung ging am Freitag mit 97 zu 96 Stimmen bei einer Enthaltung denkbar knapp aus, die Vorlage ist damit endgültig vom Tisch. Sie hatte zum Ziel, den seit 2001 provisorisch geltenden Zulassungsstopp dauerhaft ins Gesetz zu schreiben. Heute können die Kantone die Zulassung neuer Ärztinnen und Ärzten von einem Bedürfnis abhängig machen, der Bundesrat legt die Kriterien dazu fest.

Damit wird vor allem der Zustrom von Ärzten aus dem Ausland eingedämmt: Mediziner, die mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben, benötigen keinen Bedürfnisnachweis.

Viermal mehr Zulassungen
Was ohne Zulassungsstopp geschieht, hat sich bei dessen vorübergehender Aufhebung gezeigt. 2012 liessen sich doppelt so viele Ärzte in der Schweiz nieder wie im Vorjahr, im Kanton Tessin vervierfachte sich die Zahl der Neuzulassungen sogar. Weil unter dem Regime des Vertragszwangs mehr Ärzte nachweislich zu höheren Kosten führen, zog das Parlament 2013 die Notbremse und führte den Zulassungsstopp befristet auf drei Jahre wieder ein. Diese Regelung läuft Mitte 2016 aus.

Als Anschlusslösung schlug der Bundesrat vor, dass die Kantone über die Notwendigkeit eines Zulassungsstopps entscheiden können. Dabei sollte nicht nur die Zulassung von Ärzten eingeschränkt werden können, sondern auch jene von Apothekern, Chiropraktoren, Hebammen, Ergotherapeuten und anderen ambulanten Leistungserbringern. Im Sinne eines Minimalkonsenses entschied das Parlament dann aber, die heute geltende Regelung dauerhaft ins Gesetz zu schreiben.

Im Ständerat gab es dagegen relativ wenig Widerstand. Im Nationalrat hingegen hatten sich FDP und SVP schon in der letzten Herbstsession gegen die Lösung zur Wehr gesetzt, aber damals noch keine Mehrheit erreicht.

Kosmetische Massnahmen keine Lösung
Das Problem der hohen Ärztedichte und der steigenden Kosten lasse sich nicht mit einer kosmetischen Massnahme lösen, sagte FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis (TI) zum Entscheid. Das Rezept der FDP heisst regional abgestufte Preise. Nach der Logik von Angebot und Nachfrage würde das dazu führen, dass Mediziner in Gebieten mit hoher Ärztedichte für die gleiche Leistung weniger Geld erhalten als in Gebieten mit wenig Konkurrenz. Die FDP möchte auch Qualitätskriterien einfliessen lassen.

Die SVP will noch weiter gehen: Sie macht sich für die Vertragsfreiheit zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern stark, wie Nationalrat Sebastian Frehner (BS) sagte. Er ist überzeugt, dass sich die Überversorgung nicht durch Abschottung bekämpfen lasse. Qualität könne nur im Wettbewerb erreicht werden.

Gesundheitsminister Alain Berset wies in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass das Parlament den Kantonen die Möglichkeit genommen habe, 40 Prozent der Prämienkosten zu beeinflussen. Die letztmalige Aufhebung des Zulassungsstopps habe gezeigt, dass mit einem namhaften Zustrom von Spezialisten zu rechnen sei, was die Gesundheitskosten und damit die Prämien in die Höhe treiben werde.

Verbände sehen kleine Alternative
Viele Verbände fühlen sich vom Ärztestopp-Entscheid des Nationalrates vor den Kopf gestossen. Der Nationalrat nehme den Kantonen ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Versorgung und damit zur Einflussnahme auf die Kostenentwicklung aus der Hand, teilte die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) mit.

Eine alternative Lösung in nützlicher Frist sieht die GDK nicht. Ebenso der Ärzteverband FMH: «Wir sind erstaunt», sagte Präsident Jürg Schlup. Der Verband habe sich lösungsorientiert gezeigt und den vom Parlament vorgeschlagenen Kompromiss akzeptiert. Eine Vertragsfreiheit, wie es sich die SVP wünscht, würde FMH nicht akzeptieren.

Der Dachverband Schweizerischer Patientenstellen (DVSP) drohte sogar mit einer Volksabstimmung, falls sich die Idee der Vertragsfreiheit in der Politik verfestigen sollte. Die Krankenversicherungsverbände santésuisse und Curafutura reagierten dagegen erfreut. In ihren Reaktionen forderten sie bereits eine Lockerung des Vertragszwangs. (awp/mc/upd/ps)

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