Bern – Die Schweiz besteuert Reedereien auch in Zukunft nicht pauschal. Die Einführung der sogenannten Tonnagesteuer ist vom Tisch. Der Nationalrat hat sich am Dienstag dem Nichteintretensentscheid des Ständerats angeschlossen.
Mit 108 zu 75 Stimmen bei zwei Enthaltungen folgte der Nationalrat dem Antrag der Mehrheit seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N).
Der Entscheid bedeutet eine Kehrtwende: Im Winter 2022 hatte die grosse Kammer die Vorlage zur Einführung der sogenannten Tonnagesteuer auf Hochseeschiffe noch unterstützt.
Wie zuvor im Ständerat überwogen in der Debatte vom Dienstag aber die Sorge um die Bundesfinanzen und Zweifel an der Verfassungsmässigkeit der Vorlage. Deren finanzielle Auswirkungen seien trotz mehrfacher Nachfragen der zuständigen Kommission unklar, sagte etwa Leo Müller (Mitte/LU) namens seiner Fraktion.
2016 hatte das Parlament noch dafür votiert, für die Schweizer Hochseeschifffahrtsunternehmen die Möglichkeit einer Besteuerung nach der Ladekapazität von Schiffen zu schaffen. Dies anstelle einer Besteuerung basierend auf dem tatsächlich erwirtschafteten Gewinn oder Verlust. Es erteilte dem Bundesrat den Auftrag, dazu einen Umsetzungsvorschlag zu machen.
«Bestellliste der Kapitaleigentümer»
Mit der vorgeschlagenen Neuregelung wäre die durchschnittliche Steuerlast für die betroffenen Reedereien leichter ausgefallen als heute. Namentlich die Ratslinke kritisierte die Tonnagesteuer daher als ungerechtfertigtes Steuergeschenk an eine einzelne Branche.
«Endlich können wir die Tonnagesteuer von der Bestellliste der Kapitaleigentümer streichen», doppelte Jacqueline Badran (SP/ZH) am Dienstag nach. Diese sei lediglich ein besonders lächerliches Beispiel für die immer exzessiveren Ausnahmen davon, was überhaupt besteuert werde.
Franziska Ryser (Grüne/SG) sagte, eine Steuererleichterung für eine Branche, die in den vergangenen Jahren Rekordgewinne gemacht habe, sei nicht vertretbar. Zudem sei die Tonnagesteuer angesichts des CO2-Ausstosses von Hochseeschiffen auch klimapolitisch unsinnig. Die Vorlage enthalte keinerlei ökologische Anreize.
Referendum war schon angekündigt
Auch die FDP-Fraktion war mehrheitlich für Nichteintreten. Zwar sei die Tonnagesteuer grundsätzlich nicht verkehrt, sagte Fraktionssprecherin Daniela Schneeberger (BL). Allerdings habe sich die finanzielle Lage des Bundes seit der ersten Behandlung des Geschäfts verändert. Die Freisinnigen hätten daher eine Güterabwägung vorgenommen.
Schon nach der ersten Behandlung des Geschäfts im Nationalrat hatte Rot-Grün das Referendum angekündigt, sollte das Parlament die Vorlage verabschieden. «Was wir heute nicht beschliessen, wird morgen vom Volk beschlossen», sagte dazu Sophie Michaud Gigon (Grüne/VD) namens der Kommissionsmehrheit.
«Gleich lange Spiesse»
Eine Minderheit der vorberatenden Nationalratskommission – bestehend aus SVP-Vertretern und dem Waadtländer FDP-Nationalrat Olivier Feller – wollte am Eintretensentscheid festhalten. Sie gab zu bedenken, allein in der EU wendeten 21 Länder die Tonnagesteuer bereits an. Es gehe darum, gleich lange Spiesse zu schaffen.
Die Schweiz habe beispielsweise im Rahmen der Umsetzung der OECD-Mindeststeuer für das Land nachteilige Regelungen akzeptiert, argumentierte Céline Amaudruz (SVP/GE). Die Tonnagesteuer sei eine der erlaubten Ausnahmen von der Mindestbesteuerung. Die Schweiz solle davon profitieren. Ein Nichteintreten wäre ein «unverständliches Eigentor».
Amaudruz vertrat zudem die Ansicht, dass die Tonnagesteuer zu Steuerausfällen führe, sei unwahrscheinlich. (awp/mc/ps)