Energieministerin Doris Leuthard. (Foto: admin.ch)
Bern – Der Nationalrat will im Strommarkt ein Bonus-Malus-System einführen, um den Stromverbrauch zu senken. Dies hat er am Mittwoch im Rahmen der Beratungen zur Energiestrategie entschieden. Die eingesparte Energie sei die sauberste und günstigste Energie, hiess es im Rat.
Heute ist es für die Akteure im Strommarkt nicht interessant, das Stromsparen zu fördern, denn sie verdienen mit dem Verkauf von Strom Geld. Dies soll sich ändern. Umstritten war im Rat, wie andere Anreize gesetzt werden könnten.
Der Bundesrat wollte die Stromlieferanten in die Pflicht nehmen, mit Zielen zur stetigen Steigerung der Effizienz. Die Unternehmen sollten jedes Jahr weniger Strom verkaufen als im Vorjahr. Stromlieferanten, welche das Ziel nicht erfüllen, müssten eine Sanktion entrichten. Jene, die das Ziel übertreffen würden, könnten mit so genannten «weissen Zertifikaten» handeln.
Bonus und Malus statt Sanktionen
Der Rat stimmte aber – mit dem Einverständnis von Energieministerin Doris Leuthard – einem anderen Modell zu, mit 117 zu 73 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Es handelt sich um ein Bonus-Malus-System, das eine Minderheit der vorberatenden Kommission eingebracht hatte.
Dafür votierten Grüne, SP, Grünliberale, BDP und CVP sowie einzelne Vertreter von FDP und SVP. In der Kommission war die Mehrheit noch dagegen gewesen. Das Modell setzt bei den Netzbetreibern an, den Endverteilern. Unternehmen, die das Ziel übertreffen, würden einen Bonus erhalten, der aus dem Netzzuschlagsfonds zu bezahlen wäre. Jene, die ihren Zielwert verfehlen, müssten einen Malus entrichten.
Im Ausland erprobt
Für das Bonus-Malus-Modell warb Hans Grunder (BDP/BE). Es müsste im Laufe der Beratungen noch verbessert werden, stellte er fest. Doch der Ansatz gehe in die richtige Richtung und sei in anderen Staaten erprobt. In Dänemark etwa habe die Effizienz damit stark gesteigert werden können.
Die Gegner aus den Reihen der SVP und FDP monierten, ein solches System wäre ein unzulässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit und ein «Bürokratiemonster». Die Befürworter wiesen darauf hin, dass die Energiewirtschaft selbst sich zuletzt dafür stark gemacht habe.
Endkunde müsste Bonus zahlen
Leuthard stellte fest, das Modell habe Schwächen. Es sei nicht weniger bürokratisch als jenes des Bundesrates. Der Bund müsste nämlich 670 Netzbetreibern individuell Vorgaben machen und prüfen, ob diese eingehalten würden. Problematisch sei zudem, dass der Endkunde den Bonus bezahlen müsste. Die Hauptsache sei aber, dass überhaupt ein Anreizsystem auf den Weg geschickt werde. Vielleicht könnten im weiteren Verlauf der Beratungen die beiden Modelle kombiniert werden.
Gebäude sanieren
Bei der Senkung des Energieverbrauchs spielen auch Gebäudesanierungen eine grosse Rolle. Vorschriften dazu erlassen vor allem die Kantone, doch gibt der Bund den Rahmen vor: Die Kantone müssen Vorschriften über die sparsame und rationelle Energienutzung in Gebäuden erlassen und der Nutzung erneuerbarer Energien nach Möglichkeit den Vorrang geben. Abgelehnt hat der Nationalrat Vorschläge, den Kantonen genauere Vorschriften zu machen.
Wie bisher kann der Bundesrat auch Effizienz- und Deklarationsvorschriften für Anlagen, Fahrzeuge und Geräte erlassen. Der Nationalrat hat einen Antrag der SVP für eine Kann-Formulierung abgelehnt. Gibt es noch keine Vorschriften, kann das Bundesamt für Energie neu mit Herstellern und Importeuren auf freiwilliger Basis Vereinbarungen abschliessen.
Befristung des Fördersystems
Der Nationalrat hat sich am Mittwoch auch mit den Modalitäten und Verfahren im Zusammenhang mit den neuen Regeln befasst. Dies bot Gelegenheit für eine Rückschau auf die bisherigen Entscheide – und für Versuche, diese in Frage zu stellen. Eine von Christian Wasserfallen (FDP/BE) angeführte Minderheit fordert, dass das am Vortag beschlossene Fördersystem zeitlich begrenzt wird. Es soll nur bis 2020 gelten.
Wasserfallen wurde in der Folge vorgeworfen, er wolle den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dieser «Sunset-Klausel» torpedieren . Dies sei eine «durch und durch destruktive Politik», kritisierte Jacqueline Badran (SP/ZH). Sie sei erstaunt, wie innovationsfeindlich sich die so genannten Wirtschaftsparteien FDP und SVP benähmen.
Obligatorisches Referendum
Zu diskutieren gab auch ein Antrag von Walter Wobmann (SVP/SO), der fordert, dass das Gesetz dem obligatorischen Referendum unterstellt wird. Die Gegner wiesen darauf hin, dass es sei jedem freigestellt sei, das Referendum zu ergreifen. Man könne nicht einfach nach Gutdünken eine Vorlage dem obligatorischen Referendum unterstellen, sagte Leuthard.
Thomas Maier (GLP/ZH) warf der SVP und der FDP vor, bloss die Unterschriftensammlung umgehen zu wollen. Es sei ja bekannt, dass die FDP damit Mühe bekunde. Wasserfallen erwiderte, die im Gesetz verankerten Ziele seien nur mit einer Lenkungsabgabe zu erreichen, die noch nicht vorliege. Daher seien die Gesetzesänderungen verfassungsrelevant. Darüber abgestimmt hat der Nationalrat noch nicht, die Beratungen gehen am Donnerstag weiter. (awp/mc/upd/pg)