Bern – Der Nationalrat will mehr Zeit für die Diskussion über den Umgang mit neuen gentechnischen Verfahren. Das seit 2005 geltende Moratorium für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen soll nach seinem Willen bis Ende 2030 in Kraft bleiben.
Die grosse Kammer stimmte am Donnerstag einer Verlängerung des Moratoriums um fünf Jahre zu. Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 153 zu 42 Stimmen bei einer Enthaltung. Nun muss sich der Ständerat mit der Sache befassen.
Das aktuelle Moratorium gilt noch bis Ende des laufenden Jahres. Erarbeitet hat die Vorlage die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) auf Grundlage einer parlamentarischen Initiative. Sie wollte ursprünglich eine Verlängerung des Moratoriums bis Ende 2027. Der Bundesrat sprach sich aber für eine längere Frist von fünf Jahren aus, womit sich die Kommission einverstanden erklärte.
Anlehnung an Regeln der EU
Unter anderem sei es sinnvoll, die Entscheidungen der EU in der Sache abzuwarten, damit keine neuen Handelshemmnisse entstünden, erklärte Estelle Revaz (SP/GE) namens der Kommission.
Dabei geht es weniger um die klassische Gentechnologie als um die mögliche Zulassung von mit neuen Technologien gezüchteten Pflanzen in der Zukunft. Ziel der Verlängerung ist es, Zeit zu gewinnen für die Ausarbeitung einer neuen, risikobasierten Regelung in diesem Bereich. Dabei soll eine Regelungslücke vermieden werden.
Über eine längerfristige Regelung in dieser Hinsicht entscheidet das Parlament erst später in einem anderen Rahmen. Bereits im Oktober 2023 hatte der Bundesrat mitgeteilt, er strebe längerfristig eine behutsame Öffnung an. Die Botschaft für das geplante neue Gesetz will er den eidgenössischen Räten im ersten Quartal 2026 vorlegen. Landwirtschaftsminister Albert Rösti kündigte die baldige Eröffnung der Vernehmlassung an: «Das Gesetz ist geschrieben».
Keine Ausnahme vom Moratorium
Eine Kommissionsminderheit wollte schon jetzt eine Differenzierung zwischen klassischer Gentechnik und neuen Methoden. Sie verlangte eine Sonderregelung für Pflanzen, die mit neuen Methoden gezüchtet wurden und denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde. Für sie sollte das Moratorium nur bis Ende 2027 gelten.
Neue Züchtungsmethoden seien eine Möglichkeit, den Absenkungspfad beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einzuhalten, sagte Andreas Meier (Mitte/AG). Die Schweizer Landwirtschaft drohe den Anschluss an internationale Entwicklungen zu verpassen, warnte Katja Christ (GLP/BS). Auch die FDP-Fraktion kritisierte, heute bestehe im Grunde ein Forschungsverbot.
Eine Mehrheit des Rates war aber der Meinung, die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Gentechnologie sei gross. Auch sei es nicht einfach, den Unterschied zu herkömmlichen gentechnischen Verfahren zu erklären.
Vertrauen der Konsumenten
Es gebe noch grossen Diskussionsbedarf, sagte der Berner Grünen-Nationalrat und Biobauer Kilian Baumann. Fragen bestünden etwa bei der Haftung, zu Patenten und in Bezug auf eine mögliche Abhängigkeit der Bauern von Agrarkonzernen. Zudem hob Baumann hervor, wie wichtig das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten für die Schweizer Landwirtschaft sei.
SVP-Fraktionssprecherin Katja Riem (BE) äusserte sich grundsätzlich offen gegenüber den neuen Züchtungsmethoden. Die klassische Gentechnologie, wie sie in den USA oder in Brasilien eine grosse Rolle spiele, lehne ihre Partei für die Schweiz aber ab.
Man solle dem Weg des Bundesrats folgen, forderte Riem. Der Minderheitsantrag schaffe nur Verwirrung.
Bundesrat Rösti argumentierte, bei Annahme des Minderheitsantrags werde der Spielraum des Parlaments nicht grösser. Werde das neue Gesetz vor 2030 verabschiedet, verliere man keine Zeit. Das Moratorium würde dann ausschliesslich für die klassische Gentechnologie weiter gelten.
Der Landwirtschaftsminister warnte vor Schnellschüssen. Ein Referendum über das geplante Spezialgesetz zu neuen Züchtungsmethoden sei denkbar. Eine Ablehnung durch das Volk, weil man zu rasch vorgehe, käme einem Scherbenhaufen gleich. «Es ist eine gewisse Vorsicht geboten. Wir müssen hier auch vor dem Volk bestehen können.» (awp/mc/ps)