Nationalrat will Widerrufsrecht bei Bankverträgen einschränken
Bern – Der Nationalrat will das Widerrufsrecht bei Telefongeschäften von Banken einschränken. Das hat er bei den Beratungen zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) beschlossen.
Die Räte nähern sich bei diesen Vorlagen zum Anlegerschutz und der Aufsicht über Finanzdienstleister einer Einigung. Einige Differenzen bleiben aber, darunter das Widerrufsrecht für Finanzdienstleistungsverträge bei Haustür- und Telefongeschäften.
Der Bundesrat und der Ständerat wollen daran nichts ändern. Der Nationalrat wollte das Widerrufsrecht in diesem Bereich zunächst abschaffen. Am Dienstag hat er nun einem Kompromissvorschlag seiner Kommission zugestimmt: Das Widerrufsrecht soll nur für bestehende Kunden abgeschafft werden. Neue Kunden könnten Verträge weiterhin während vierzehn Tagen widerrufen.
Weniger Konsumentenschutz
Damit bestehe genügend Schutz vor «überfallartigen Geschäftsabschlüssen», sagte Kommissionssprecher Beat Walti (FDP/ZH). Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) widersprach: Der Konsumentenschutz würde erheblich geschwächt.
Künftig könnte der Kauf eines Staubsaugers widerrufen werden, nicht aber ein Bankvertrag, der über die finanzielle Situation der ganzen Familie entscheiden könne, sagte Birrer-Heimo. «Denken Sie auch an betagte Person, die sich je nach gesundheitlicher Situation schlecht wehren können, wenn sie überredet werden.»
Auch Finanzminister Ueli Maurer sprach sich gegen die Einschränkung des Widerrufsrechts auf diesem Weg aus. Für eine solche Änderung sollte eine Vernehmlassung durchgeführt werden, sagte er. Der Nationalrat folgte aber mit 129 zu 58 Stimmen bei 3 Enthaltungen seiner Kommission.
Haftung umstritten
Umstritten bleibt ferner die Haftung. Enthält das Basisinformationsblatt oder der Prospekt zu einem Finanzprodukt unrichtige, irreführende oder widerrechtliche Informationen und wird der Kunde dadurch geschädigt, soll nach dem Willen des Ständerates jeder haften, der mitgewirkt hat – sofern er nicht nachweist, dass er dabei die erforderliche Sorgfalt angewandt hat. Mit der Version des Bundesrates hätte der Finanzdienstleister beweisen müssen, dass ihn keine Schuld trifft.
Der Nationalrat will die Beweislast nicht umkehren: Sie soll beim Geschädigten sein. Es gebe keinen Grund, von den allgemeinen Haftungsregeln abzuweichen, befanden die Vertreter der bürgerlichen Parteien. Mit der Umkehr der Beweislast würde eine Prozessflut drohen, sagte Leo Müller (CVP/LU). Ausserdem widerspreche eine solche Regelung dem Rechtsempfinden in der Schweiz.
Opfer chancenlos
Für eine Umkehr der Beweislast setzte sich Birrer-Heimo ein. Ohne würden Finanzdienstleister kaum je zur Rechenschaft gezogen, gab sie zu bedenken. Das hätten die Erfahrungen mit den Opfern von Lehman Brothers gezeigt. Der Rat folgte aber mit 127 zu 51 Stimmen bei 5 Enthaltungen seiner Kommission.
Für Verwirrung sorgte ein Votum von Finanzminister Maurer, wonach die Formulierung gemäss Nationalrat eine Kausalhaftung enthält, also eine verschuldensunabhängige Haftung. Gemäss dem Kommissionssprecher ist das nicht der Fall.
Keine Information bei Veränderungen
Differenzen bleiben auch bei der Pflicht der Finanzdienstleister zur Information von Kundinnen und Kunden. Der Nationalrat will nicht, dass Finanzdienstleister die Kunden informieren müssen, wenn sich wesentliche Änderungen ergeben, etwa bezüglich des Anlagerisikos.
Der Rat beharrt darauf, eine entsprechende Klausel zu streichen. Das beschloss er mit 128 zu 49 Stimmen. Die Mehrheit befand, der Aufwand wäre zu grosse für die Finanzdienstleister. Hingegen möchte der Nationalrat, dass Finanzdienstleister Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung der Kundenberater festlegen.
Doch kein Vorrang vor Privatrecht
In anderen Punkten hat sich der Nationalrat stillschweigend dem Ständerat angeschlossen. So haben die Räte eine Bestimmung fallengelassen, wonach mit der Einhaltung des FIDLEG auch die zivilrechtlichen Pflichten erfüllt gewesen wären.
Beide Räte sind zur Version des Bundesrates zurückgekehrt und haben die Klausel gestrichen. Damit bleibt es bei der Zweiteilung von Zivil- und Aufsichtsrecht. Kritiker hatten moniert, mit der Bestimmung hätte das Aufsichtsrecht Vorrang vor dem Zivilrecht, was den Anlegerschutz erheblich schwächen würde.
Verbessert oder verwässert
Die Vorlagen gehen nun zurück an den Ständerat. Die Beurteilung gegen Ende der Beratungen fällt unterschiedlich aus. Die SVP hatte die Gesetze ursprünglich ablehnen wollen, steht nach diversen Änderungen nun aber dahinter, wie Thomas Matter (SVP/ZH) sagte.
Die Linke zweifelt dagegen, ob die Gesetze so noch äquivalent sind mit den Regelungen in der EU. Das Parlament habe die Vorlagen stark verwässert, kritisierte Birrer-Heimo. Der Anlegerschutz sei geschwächt statt gestärkt worden. (awp/mc/ps)