Bern – Das Parlament wollte im Sommer den von Corona-Schliessungen betroffenen Geschäftsmietern zu Hilfe eilen. Nun will eine Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) nichts mehr davon wissen. Das Covid-19-Geschäftsmietegesetz droht zu scheitern.
Die RK-N ist mit 14 zu 11 Stimmen nicht auf die Vorlage eingetreten, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. In der Kommission vertreten sind sieben Mitglieder der SVP-Fraktion, vier der FDP-Fraktion und drei der Mitte-Fraktion. Alle drei Fraktionen hatten sich schon bei der Behandlung der schliesslich überwiesenen Motionen zum Thema skeptisch bis ablehnend geäussert.
Auch der Bundesrat machte bei der Präsentation der Vorlage keinen Hehl daraus, dass er wenig von einem teilweisen Mieterlass hält. Am vergangenen Mittwoch verabschiedete die Regierung zudem einen Bericht, wonach derzeit wenige Hinweise für umfassende Schwierigkeiten bei Geschäftsmietern bestehen. Es seien «überraschend zahlreiche Einigungen über Mietpreissenkungen zwischen den Mietparteien» getroffen worden, heisst es darin.
Die Regierung sieht sich darin bestätigt, nicht in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Mieterinnen und Mietern und Vermieterinnen und Vermietern einzugreifen. Im Auftrag der Räte musste der Bundesrat dennoch handeln. Er verzichtete aber darauf, dem Parlament die Zustimmung zum Gesetzesentwurf zu beantragen.
40 statt 100 Prozent der Mietkosten
Das Covid-19-Geschäftsmietegesetz sieht vor, dass Mieterinnen und Mieter sowie Pächterinnen und Pächter, die im Frühjahr von einer Schliessung oder starken Einschränkung betroffen waren, für die Zeit vom 17. März bis 21. Juni 2020 nur 40 Prozent des Mietzinses bezahlen müssen. 60 Prozent gehen zulasten der Vermieterinnen und Vermieter.
Der teilweise Mieterlass gilt, wenn der monatliche Nettomietzins maximal 20’000 Franken beträgt. Vom Gesetz ausgenommen sind Fälle, bei denen sich die Vertragsparteien ausdrücklich und einvernehmlich einigen konnten oder bei denen vor Inkrafttreten des Gesetzes ein rechtskräftiger Gerichtsentscheid vorliegt. Bei einem Miet- oder Pachtzins zwischen 15’000 und 20’000 Franken sollen beide Parteien mit einer einseitigen schriftlichen Mitteilung auf den Erlass verzichten können.
Bekannte Konfliktlinien
Der Vorentwurf der Vorlage wurde in der Vernehmlassung sehr kontrovers aufgenommen – bei der Mieterschaft fand sie Zustimmung, bei der Vermieterschaft stiess sie auf Ablehnung. Während der Diskussion in der Rechtskommission wurden von Befürwortern und Gegnern die bekannten Argumente aufgeführt.
Schliesslich überwogen nach der Eintretensdebatte die negativen Stimmen, wie es in der Mitteilung heisst. Die Mehrheit empfindet es insbesondere als stossend, dass mit dem Gesetz rückwirkend in bestehende privatrechtliche Vertragsverhältnisse eingegriffen werden soll. Das sei «ein unverhältnismässiger, verfassungswidriger Eingriff in bestehende vertragliche Rechte».
Eine Minderheit der Kommission ist dagegen der Ansicht, dass die Vorlage einen wichtigen konjunkturellen Beitrag zur Abwendung einer drohenden Konkurswellle bei Betrieben der Gastronomie und des Detailhandels leistet. Der mit dem Gesetz verbundene Eingriff in die Ansprüche der Vermieterschaft erscheine ihr vor dem Hintergrund der schwierigen Lage vieler kleinerer und mittlerer Gewerbebetriebe als angemessen.
Der Nationalrat wird das Gesetz am 29. Oktober an der Sondersession beraten. Der Ständerat wird sich in der Wintersession mit der Vorlage befassen. (awp/mc/pg)