Nestlé wächst unter Erwartungen und gibt sich vorsichtig

Nestlé wächst unter Erwartungen und gibt sich vorsichtig
Nestlé-CEO Mark Schneider. (Foto: Nestlé)

Vevey – Nestlé ist im vergangenen Jahr klar unter den Markterwartungen gewachsen und hat weniger verdient als Marktbeobachter geschätzt hatten. Um den Konzern mittelfristig wieder auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzuführen, will der neue CEO Mark Schneider die Spar- und Restrukturierungsanstrengungen in den nächsten Jahren nun verschärfen. Ab 2020 soll der Konzern dann wieder ein mittleres einstelliges organisches Wachstum erzielen. Besonders gut kamen die News am Markt nicht an: der Aktienkurs geriet deutlich unter Druck.

CEO Schneider, der seit September 2016 bei Nestlé ist und seit Jahresbeginn als neuer Konzernchef amtet, trat am Donnerstag anlässlich der Bilanzmedienkonferenz in Vevey erstmals vor die Medien. Entsprechend gespannt waren Medienleute, aber auch Analysten und Investoren auf seinen ersten Auftritt. Wer bereits den ersten grossen strategischen Wurf erwartet hatte, wurde allerdings etwas enttäuscht. Als erstes bekannte er sich nämlich klar zur Langfrist-Strategie, die bekanntlich mit ‹Nutrition, Health und Wellness› umschrieben wird. Zudem wolle er weiterhin langfristigen Wert schaffen und habe dabei sowohl das Wachstum wie auch die Profitabilität im Fokus, betonte er.

Absage an Schnellschüsse
In ruhigen und mit Bedacht gewählten Worten gab er dabei auch Schnellschüssen in Bezug auf grosse Akquisitionen eine klare Absage. «Wir müssen den Markt nicht mit grossen Transaktionen beeindrucken», meinte er. Die Bewertungen für mögliche Übernahmeziele seien aufgrund der tiefen Zinsen und dem grossen Interesse am Sektor sehr hoch. Er trat damit gewissen Spekulationen im Markt entgegen, der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller könnte versuchen, mit schnellen und grossen Akquisitionen auf den Wachstumskurs zurückzufinden.

Ganz ausschliessen wollte er solche Zukäufe dann aber doch nicht. Er könne sich Grossakquisitionen durchaus vorstellen, sagte er im Anschluss an die Medienkonferenz im Interview mit AWP Video. Es komme aber auf die richtige Zeit und den richtigen Preis an; zudem müsse eine Akquisition strategisch Sinn machen. «Nestlé hat jedenfalls in der Vergangenheit mit klugen Akquisitionen die Marktstellung beharrlich ausgebaut und verbessert», meinte der neue Konzernchef.

Statt akquirieren ist nun erst mal Sparen angesagt. Die im letzten Jahr aufgestellten Sparziele – bis 2020 strukturelle Kosteneinsparungen von mindestens 200 Basispunkten – wurden jedenfalls bestätigt. Dazu kündigte der neue CEO eine «beträchtliche Erhöhung der Restrukturierungskosten» an: 500 Mio CHF sollen es allein in diesem Jahr sein. Sparen und wachsen sind für Schneider aber kein Gegensatz: «Kosten einsparen ist eine wichtige Langzeitaufgabe, um die Effizienz sicherzustellen, während man wächst», sagte er im Interview.

«An den Ergebnissen messen»
Auf die Frage, ob er denn ein guter Sparer sei, meinte er, man müsse sich an den Ergebnissen messen lassen und verwies dabei auf seinen Track-Record beim früheren Arbeitgeber Fresenius. «Das Thema Kostendisziplin und gleichzeitig zu wachsen, ist jedenfalls nichts neues für mich», gab er sich diesbezüglich optimistisch. Ein guter Teil der Einsparungen soll auch in Wachstum investiert werden. Schneider sieht damit ab 2020 wieder ein mittleres einstelliges organisches Wachstum. Zuletzt hatte der Konzern seine langfristigen Wachstumsziele (5-6% organ. Wachstum gemäss Nestlé-Modell) – inklusive 2016 – vier Jahre in Folge verpasst.

Und dies dürfte auch die nächsten Jahre der Fall sein. Aufgrund der weiterhin relativ grossen Volatilität in der Weltwirtschaft sieht CEO Schneider jedenfalls für dieses Jahr lediglich ein organisches Wachstum von 2-4%, wobei vor allem die Preiskomponente aufgrund des schwachen Wachstums und der deflationären Umgebung in vielen Ländern weiterhin hinterher hinkt. Der Mittelwert von 2-4% entspreche dabei in etwa dem Wachstum in den letzten Quartalen, so Schneider.

Höhere Dividende
Insgesamt erzielte Nestlé 2016 über das ganze Jahr gesehen ein organisches Wachstum von lediglich 3,2%, wobei die Mengenkomponente (RIG) 2,4% und die Preiskomponente 0,8% ausmachten. Analysten hatten eine Erholung im vierten Quartal erwartet und lagen mit ihren Gesamtjahresprognosen klar über dem von Nestlé erzielten Wert. Auch die operative Marge von 15,3% sowie vor allem der Reingewinn mit 8,5 Mrd CHF lagen unter den Prognosen, wobei letzteres mit einer Anpassung der latenten Steuern begründet wurde. Bezüglich Dividende bleib sich Nestlé treu und will die Ausschüttung gemäss VR-Antrag erneut erhöhen: 2,30 CHF nach 2,25 CHF im Vorjahr sollen es für 2016 sein.

Am Markt bzw. bei Investoren fand Nestlé mit den heutigen News keinen Gefallen. Die Nestlé-Aktie gehörte von Beginn des Handels an zu den schwächsten Werten, konnte die Abgaben bis Börsenschluss aber eingrenzen. Sie gingen um 1,0% tiefer bei 72,45 CHF aus dem Handel. Vor allem das Wachstum und der Ausblick hätten enttäuscht, hiess es dazu. Im Vergleich zur Konkurrenz schnitt der Westschweizer Konzern allerdings nicht so schlecht ab. Die ZKB schrieb denn auch in ihrem Kommentar: «Für Nestlé-Verhältnisse schwach, aber im Branchenvergleich macht der Konzern weiterhin eine gute Figur.» (awp/m/upd/ps)

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