Vevey – Nestlé ist 2017 nur relativ langsam gewachsen und hat wegen einer Abschreibung auch deutlich weniger verdient. Trotzdem sieht sich das Management auf Kurs, um die für 2020 gesetzten Wachstums- und Profitabilitätsziele zu erreichen. Weiter unklar ist, was mit der Beteiligung an L’Oréal geschieht. Der Verwaltungsrat hat sich zwar damit befasst, aber keinen klaren Verkaufsentscheid gefällt. Der Status quo dürfte damit vorderhand Bestand haben.
Der Nestlé-Verwaltungsrat sprach über das 23%-Paket des französischen Kosmetikherstellers wegen eines Abkommen, das vor langer Zeit mit den L’Oréal-Erben, der Familie-Bettencourt, getroffen wurde. Es läuft im nächsten Monat aus – sechs Monate nach dem Tod von Liliane Bettencourt. Dieses Abkommen, das vor allem weitere Aufstockungen an Bedingungen knüpfte, werde man nicht verlängern, teilte Nestlé am Donnerstag im Rahmen der Bilanzmedienkonferenz in Vevey mit. Die Beteiligung sei eine wichtige Anlage, man beabsichtige aber nicht, den Anteil zu erhöhen.
Da aber Nestlé gemäss Abkommen frei war bzw. ist, den Anteil zu verkaufen, und einige Investoren das auch lautstark immer wieder fordern, hätte man sich in Investorenkreisen eher mehr Klarheit gewünscht, ob das knapp 26 Mrd CHF schwere Paket bald veräussert wird oder nicht. Solche Hoffnungen erfüllte Nestlé mit den eher zweideutigen Angaben in der Mitteilung allerdings nicht.
Und Konzernchef Mark Schneider mochte diesbezüglich auch auf mehrmaliges Nachhaken der Medienleute keine weiteren Ausführungen machen. «Wir wollen nicht über die Zukunft des L’Oréal-Paketes spekulieren», sagte er. Jedes Wort dazu in der Mitteilung sei sehr, sehr vorsichtig gewählt und gut abgewogen. Da gebe es nichts hinzuzufügen.
Viele Herausforderungen in der Nahrungsmittelindustrie
Dafür legte CEO Schneider, der nun seit gut einem Jahr dem weltgrössten Nahrungsmittel-Hersteller vorsteht, vor den Medien dar, wohin die Reise bei Nestlé gehen soll. Vor allem das sich extrem schnell wandelnde Umfeld für die Nahrungsmittel-Hersteller stellt die Verantwortlichen der Industrie vor grosse Herausforderungen. Gesündere Produkte, lokale Marken, Premiumisierung, E-Commerce etwa sind die Stichworte dafür, was die Konsumententrends heute bewegt.
Aber auch Preissensitivität oder immer kürzer werdende Zyklen beeinflussen das Geschäft. Und da hat Nestlé noch einiges an Handlungsbedarf, zumal CEO Schneider bis 2020 die (bereinigte) Marge von aktuell (2017) 16,4% auf 17,5% erhöhen und das organische Wachstum (2,4%) in den Bereich von 5% beschleunigen will. Um dies zu erreichen, setzt Schneider auf drei Punkte.
Erstens sollen Bereiche oder Marken, die nicht so gut laufen, bei denen Nestlé aber Potential sieht, auf Vordermann gebracht werden. Dies sei etwa mit der chinesischen Marke Yinlu (Reisbrei etc.) geschehen. Diese war die letzten Jahre ein Sorgenkind, da sie den schnell sich verändernden Konsumententrends im Reich der Mitte völlig verschlafen hatte. Sie habe sich stabilisiert, hiess es.
Portfoliomanagement und Kategorien mit hohen Wachstumsraten
Zweitens soll das Marken- und Produktportfolio weiter umgebaut werden. Geschäft mit schwachem Wachstum oder wenig Potential sollen verkauft werden, wie das etwa mit dem Süsswarengeschäft in den USA kürzlich geschehen ist. In den Kernbereichen soll dagegen dazugekauft werden.
So hat Nestlé vor kurzem die kanadische Atrium Innovations, die etwa Nahrungsmittelersatz oder Multivitaminpräparate herstellt, für 2,3 Mrd USD übernommen. Oder erst letzte Woche hat Nestlé in Lateinamerika einen Mehrheitsanteil an Terrafertil gekauft. Dieses Unternehmen produziert natürliche, organische und pflanzliche Lebensmittel als Snacks.
Und als dritten Punkt, um die anvisierten Ziele zu erreichen, nannte Nestlé Investitionen in Produktkategorien mit hohen Wachstumsraten wie etwa Nespresso, Haustiernahrung, Premium-Wassermarken, oder E-Commerce. Insgesamt sieht sich CEO Schneider jedenfalls auf gutem Weg, die gesteckten Ziele zu erreichen.
Gewinn wegen Abschreibung unter den Erwartungen
Dass er noch ein Stück weit davon entfernt ist, zeigten die Resultate für 2017. Organisch wuchs Nestlé im vergangenen Jahr lediglich um 2,4%, wobei zwei Drittel auf Mengenwachstum (RIG) und ein Drittel auf Preiserhöhungen zurückzuführen war. Und auch dieses Jahr soll das Wachstum lediglich im Bereich von 2-4% ausfallen. Auf Margenebene hat Nestlé zumindest auf bereinigter Basis deutlich zugelegt, während hohe Restrukturierungskosten die ausgewiesene operative Marge deutlich drückten. Auf Stufe Reingewinn (-16% auf 7,2 Mrd) verhagelte ein Goodwill-Abschreiber von 2,8 Mrd CHF bei Nestlé Skin Health das Ergebnis.
Die Investoren zeigten sich denn auch nicht gerade begeistert von den heutigen News und schickten die Aktie talwärts. Zu Handelsende notierten die Papiere 2,1% tiefer. Analysten bemängelten vor allem die schwache Umsatzentwicklung im Schlussquartal und den sehr zurückhaltenden Ausblick. (awp/mc/ps)