Nestlé enttäuscht und muss Ausblick reduzieren
Nestlé-CEO Paul Bulcke. (Bild: Nestlé)
Vevey – Nestlé ist im dritten Quartal deutlich unter den Markt-Erwartungen gewachsen und hat den Ausblick für das Wachstum im Gesamtjahr 2015 entsprechend gesenkt. Vor allem die Probleme mit den Maggi-Nudeln in Indien, aber auch die schwächer als erwartet ausgefallene Erholung in China haben dazu geführt. Ausserdem musste Nestlé die Rabattpolitik in den USA im Bereich Hautpflege anpassen, was im dritten Quartal ebenfalls stark zu Buche schlug. Die meisten Marktteilnehmer wurden von all dem auf dem falschen Fuss erwischt, so dass die Aktie stark unter Druck kam.
Organisch legte der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller in der Neunmonatsperiode von Januar bis September um 4,2% zu (H1: +4,5), wobei bei dieser wichtigen – um Wechselkurse und Zukäufe bereinigten – Umsatzkennzahl 2,0% auf Mengenwachstum (RIG) und 2,2% auf Preisanpassungen zurückzuführen waren. Beim Gesamtumsatz von 64,9 Mrd CHF wirkten sich vor allem die negativen Wechselkursveränderungen (-6,7%) aus, während Akquisitionen per Saldo mit +0,4% zum Umsatz beitrugen. Genaue Drittquartalszahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt.
Abgesehen von den diversen Sonderfaktoren, die auch Nestlé überraschten, zeigte sich das Nestlé-Management unter CEO Paul Bulcke und dem neuen CFO Francois-Xavier Roger am Freitag an der Herbstmedienkonferenz in Vevey einigermassen zufrieden. Es sprach von «soliden Zahlen» und betonte vor allem die Breite und Tiefe und die Langfristigkeit des Nestlé-Geschäftes.
Die (kurzfristigen) Markterwartungen allerdings wurden bei weitem verfehlt. So hatten Analysten im dritten Quartal eine weitere Beschleunigung gegenüber dem zweiten Quartal erwartet. Tatsächlich kam es aber beim organischen Wachstum zu einer klaren Verlangsamung auf noch gut 3,5% im dritten Quartal (gegenüber 4,5% im Halbjahr bzw. 4,4% im Q1%).
Schwaches Wachstum im dritten Quartal – Indien, China und Skin Health belasten
In der Neunmonatsperiode erreichte das organische Wachstum in den Industrieländern 2,2% und in den aufstrebende Märkten 6,8%. In den drei Regionen lag die Zunahme bei 6,2% in Nord- und Südamerika (AMS), bei 4,0% in EMENA und bei 1,1% in Asien Ozeanien und Subsahara-Afrika (AOA).
In der Zone AOA, die nicht ganz der Nestlé-Region AOA entspricht, fiel das organische Wachstum mit -0,5% gar in den negativen Bereich. Hier hat vor allem der im Frühsommer verhängte Verkaufsstopp in Indien zu einem starken Minus geführt, der sich allein auf das organische Wachstum mit -30 Basispunkten auswirkte. Nestlé sieht sich dort noch immer einem Verkaufsverbot wegen angeblicher Verunreinigung der Nudeln mit Blei gegenüber und wartet weiterhin auf eine Wiederaufnahme der Produktion. Dies könnte allerdings bald ändern.
Nestlé Indien hat just während der Pressekonferenz in der Schweiz die Mitteilung veröffentlicht, wonach nun alle vom obersten indischen Gericht in Auftrag gegebenen Test-Resultate bekannt und im Sinne von Nestlé ausgefallen seien und Maggi-Nudeln dementsprechend «sicher» seien. Man wolle die Nudeln nun wieder produzieren, werde sie aber erst verkaufen, wenn die staatlich beauftragten Labors sie als sicher erklärt hätten, hiess es weiter. Das solle aber so schnell wie möglich geschehen. Konzernchef Paul Bulcke dämpfte allerdings in Vevey die Erwartungen etwas und meinte, es gebe noch zahlreiche administrative Hürden.
Beeinträchtigt wurde das Wachstum der Zone auch von der Situation in China, wo die erwartete Erholung langsamer sei als angenommen. China ist gemäss Bulcke «a mixed bag», mit Bereichen, die sehr gut und solchen die weniger gut liefen. Insgesamt zeigten sich er sowie die AOA-Zonen- bzw. frühere Finanzchefin Wan Ling Martello «extrem optimistisch» für die weitere Zukunft des Riesenreiches. Die Erholung brauche aber im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld länger.
Einen überraschenden Dämpfer gab es ausserdem im Bereich der Hauptpflegeprodukte (Nestlé Skin Health). Der Westschweizer Konzern hat dort für den Verkauf der Medikamente in den USA einen «konservativeren Ansatz» in Bezug auf die Rabattpolitik gewählt. Das genaue Ausmass auf das Wachstum wollte CFO Roger allerdings nicht benennen. Er meinte aber, dass das zugrundeliegende Geschäft davon unberührt sei. Positives gab es dafür aus dem US-Tiefkühlgeschäft, einem anderen Problembereich von Nestlé, zu berichten. So lag das organische Wachstum in diesem Bereich im dritten Quartal laut Roger im hohen einstelligen Bereich.
Wachstumsziel wird zum dritten Mal in Folge verpasst
Trotzdem blieb der Konzernleitung nichts anderes übrig, als den Wachstumsausblick zu senken. Neu geht der Konzern für das Gesamtjahr 2015 von einem organischen Wachstum von 4,5% aus (alt «rund 5%»), was einem Wachstum von deutlich über 5% im vierten Quartal entsprechen würde. Nichts geändert wurde am Gewinnausblick. Nach wie vor strebt Nestlé hier eine Verbesserung der Margen und des nachhaltigen Gewinns pro Aktie bei konstanten Wechselkursen sowie der Kapitaleffizienz an.
Mit dem diesjährigen Ergebnis wird Nestlé das dritte Jahr in Folge unter dem langfristigen Zielwert von 5-6% für das organische Wachstum bleiben. Konzernchef Bulcke betonte dazu wie immer in diesen drei Jahren, dass es sich um ein Langfristziel handle und man es dementsprechend nicht ändern wolle. «Wir wollen schneller als der Markt wachsen», machte Bulcke klar und zeigte sich kämpferisch. Die Rücknahme des Wachstumsziels für 2015 bedeute aber eine Anpassung an die aktuelle Realität.
Die Nestlé-Aktien reagierten wenig überraschend mit deutlichen Abgaben auf die News vom Morgen, wobei laut Marktkreisen auch der gute Lauf der Aktie in den letzten Wochen zu Gewinnmitnahmen geführt haben dürfte. Insgesamt zeigten sich aber praktisch alle Analysten sehr überrascht von der Tatsache, dass das Wachstum entgegen den Ankündigungen von Nestlé im dritten Quartal nicht zugenommen hat. Am Freitag gab das Papier am Schluss 1,9% auf 73,75 CHF nach, dies notabene in einem ansonsten sehr positiven Gesamtmarkt (SMI +0,7%). (awp/mc/upd/ps)