Nestlé verzeichnet dank Preissetzungsmacht erneut gutes Wachstum
Vevey – Nestlé hat einen fulminanten Start ins laufende Jahr hingelegt. Der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern ist aus eigener Kraft stärker gewachsen als die Konkurrenz. Zwar verlangsamte sich das Wachstum der verkauften Mengen, doch das kompensierte der Konzern mit Rekord-Preisanpassungen.
Trotz bereits hoher Vorjahresbasis hat Nestlé sein hohes Wachstumstempo nochmals beschleunigt. Der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern legte von Januar bis März aus eigener Kraft um 7,6 Prozent zu, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Im Vorquartal war es noch um 7,2 Prozent nach oben gegangen.
Der Umsatz stieg um 5,4 Prozent auf 22,2 Milliarden Franken. Mengenmässig verkaufte Nestlé 2,4 Prozent mehr Produkte wie Tierfutter von Purina, Nespresso-Kapseln oder Kitkat-Schokoladenriegel. Das ist zwar eine Verlangsamung, diese war jedoch aufgrund der hohen Vorjahresbasis von +6,4 Prozent auch erwartet worden – und sie fällt weniger deutlich aus als von Analysten vorausgesehen.
Bei diesen Zahlen hat Nestlé sein Russland-Geschäft bereits herausgerechnet. Wäre dieses noch hinzugekommen, hätte das organische Wachstum sogar noch etwas höher gelegen, heisst es in der Mitteilung. Nestlé stellte im März einen Grossteil der Produktion in und Lieferungen nach Russland ein – mit Ausnahme von Grundnahrungsmitteln oder medizinischer Tiernahrung. Zudem wird der Gewinn aus dem Russland-Geschäft gespendet.
Preise in fast allen Regionen angehoben
Dass das organische Wachstum so hoch gehalten wurde, ist aber in erster Linie auf die Preisanpassungen zurückzuführen. Dem Unternehmen ist es gelungen, in fast allen Regionen höhere Preise durchzusetzen. Das war nötig, um der hohen Kosteninflation entgegenzuwirken. Man sei bei den Preisanpassungen jedoch verantwortungsvoll vorgegangen, lässt sich CEO Mark Schneider in der Mitteilung zitieren.
Die Preissteigerungen über den ganzen Konzern hinweg betrugen 5,2 Prozent nach 3,1 im Vorquartal. Die Region Nordamerika verzeichnete mit 8,5 Prozent die höchsten Preisanstiege, gefolgt von Lateinamerika mit 7,7 Prozent.
Ganz anders in China: Dort wurden die Nestlé-Produkte nicht teurer wie im Rest der Welt, sondern günstiger. Die Preisanpassungen beliefen sich auf minus 0,5 Prozent. Das chinesische Geschäft, das im ersten Quartal erstmals als eigenständige Region aufgeführt wurde, verzeichnete dank einer Steigerung der Verkaufsmenge von 3,8 Prozent dennoch ein organisches Wachstum, wenn auch ein geringeres als die anderen geografischen Regionen.
Das hat auch mit dem nach wie vor schwachen Geschäft mit Babynahrung in China zu tun. Es floriert seit längerem nicht mehr und wird deshalb von Nestlé auf Herz und Nieren geprüft, wie CEO Schneider bereits in der Vergangenheit sagte. Doch offenbar haben diese «Turnaround-Initiativen» im ersten Quartal noch nicht gefruchtet, denn der Umsatz im Segment Säuglingsnahrung in China ging erneut zurück.
Konkurrenz übertroffen und Finanzgemeinde überrascht
Dies dürfte wohl auch auf das Konto des Konkurrenten Danone gehen. Der französische Konzern legte seine Quartalszahlen nämlich am gestrigen Mittwoch vor und verzeichnete im Babynahrungssegment in China ein Umsatzwachstum. Obwohl das Unternehmen auch sonst mit den vorgelegten Zahlen (7,1 Prozent Wachstum, 4,9 Prozent auf Preissteigerungen zurückzuführen) besser abschnitt als erwartet, liess Nestlé den Konkurrenten mit den heute präsentierten Zahlen links liegen.
Überhaupt hat Nestlé mit den vorgelegten Zahlen auch die kühnsten Erwartungen der Analysten übertroffen. Sie hatten im Schnitt mit einem Umsatz von 21,8 Milliarden, einem organischen Wachstum von 5,5 Prozent und einem Mengenwachstum (RIG) von 1,4 Prozent gerechnet.
Weitere Preissteigerungen
Das Unternehmen lässt seine Ziele für das Gesamtjahr 2022 nun unverändert. Nestlé strebt ein organisches Umsatzwachstum von rund 5 Prozent und eine bereinigte EBIT-Marge zwischen 17,0 und 17,5 Prozent an. Zudem dürften der bereinigte Gewinn je Aktie bei konstanten Wechselkursen und die Kapitaleffizienz steigen.
Das Unternehmen warnt jedoch auch, dass die Situation der Kosteninflation weiter sehr angespannt bleibt. Deshalb seien «im Verlauf des Jahres weitere Preisanpassungen und eindämmende Massnahmen erforderlich», so Firmenchef Schneider.
Dass Nestlé angesichts des starken Wachstums seine Wachstumsziele nicht erhöht, sehen manche Analysten als zu vorsichtig an. Allerdings erfreuen sich die Experten an der bestätigten Guidance für die EBIT-Marge. Denn diese könnte unter der Inflation leiden. (awp/mc/ps)