Nestlé tätigt mit Bountiful-Kauf eine der grössten Übernahmen
Vevey – Nun ist es bestätigt: Nestlé kauft den in den USA ansässigen Vitaminhersteller Bountiful. Es ist nach der Übernahme der Verkaufsrechte von Starbucks im Jahr 2018 der teuerste Zukauf seit Beginn der Ära Schneider.
5,75 Milliarden Dollar lässt sich Nestlé die Kernmarken von Bountiful kosten. Der Nahrungsmittelkonzern hatte Anfang der Woche nach einem entsprechenden Medienbericht die Übernahmeverhandlungen mit Bountiful bestätigt. Verkäufer ist der US-Finanzinvestor KKR und der Deal dürfte im zweiten Halbjahr abgeschlossen werden, teilte Nestlé nun am Freitag mit.
Der Hersteller von Vitaminen, Mineralien und anderen Nahrungsergänzungsmitteln gehört zu den teuersten Zukäufen, die sich Nestlé in den letzten Jahren geleistet hat. Seit der CEO Mark Schneider 2017 sein Amt übernommen und den Konzernumbau eingeleitet hat, kam Nestlé nur die Übernahme der Starbucks-Verkaufsrechte mit 7 Milliarden Franken noch teurer zu stehen.
Bereich Health Science stärken
Offenbar passt Bountiful mit seinen verschiedenen Vitaminmarken trotz des hohen Preises gut in die Strategie von Nestlé. Der Konzern will nämlich mit der Sparte Nestlé Health Science (NHSc) weiter wachsen. «Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel sind ein wichtiger Teil unseres Geschäfts und haben zu einer starken Wachstumsbeschleunigung beigetragen», wird der Chef von Nestlé Health Science, Greg Behar, in der Mitteilung zitiert.
Nestlé hat nicht zuletzt dank der Vitaminsparte sein Wachstum im vergangenen Jahr deutlich beschleunigt. Der Umsatz von Nestlé Health Science stieg 2020 auf 3,3 Milliarden Franken, was einem organischen Wachstum von 12,2 Prozent entspricht. Nebst organischem Wachstum gehören wie nun bei Bountiful aber auch Zukäufe zur Wachstumsstrategie.
Im Oktober letzten Jahres hatte der Konzern den Bereich NHSc bereits durch die Ende August angekündigte vollständige Übernahme der amerikanischen Firma Aimmune Therapeutics weiter gestärkt. Aimmune entwickelt und vermarktet Therapien zur Behandlung lebensbedrohlicher Lebensmittelallergien und hat als einzige Firma eine von den US-Behörden zugelassene Behandlung gegen Erdnussallergie bei Kindern auf dem Markt.
Einen Monat zuvor hatte Nestlé ausserdem das US-Unternehmen IM Health Science (IMH) geschluckt, das auf die diätische Behandlung von Verdauungs- und Schlafproblemen spezialisiert ist. Und im Sommer sicherte sich der Konzern eine Mehrheitsbeteiligung an der US-Kollagenmarke Vital Proteins.
Ebenfalls seit dem vergangenen Jahr gehört das Medikament Zenpep zu Nestlé. Es ist ein Mittel für Menschen, die Nahrung nicht richtig verdauen können, weil ihre Bauchspeicheldrüse nicht genügend Enzyme zum Abbau von Fett, Proteinen und Kohlenhydraten liefert.
Die bisher teuerste Übernahme im Bereich NHSc war aber 2017 der Kauf der US-Firma Atrium Innovations. Diesen Kauf liess sich Nestlé damals 2,3 Milliarden US-Dollar kosten.
Trennung von Bremsklötzen
Nestlé setzt aber nicht nur auf seine Gesundheitssparte. Konzernchef Mark Schneider baut den Konzern seit längerem um und setzt dabei auch auf Trends wie vegane Fleischalternativen und gesunde Lebensmittel, die mit Zukäufen ausgebaut werden.
Schneiders Strategie scheint für den Konzern aufzugehen. Im ersten Quartal 2021 erzielte Nestlé das höchste Wachstum seit beinahe zehn Jahren. Nun ist der Konzern auf bestem Weg, sein für nächstes Jahr in Aussicht gestelltes mittelfristiges Ziel von einem mittleren einstelligen Wachstum, sprich mindestens 4 Prozent, bereits in diesem Jahr zu erreichen.
Im Einklang mit der Strategie stösst Nestlé aber auch immer wieder wachstumsschwache Geschäfte ab. Zuletzt trennte sich der Konzern im Februar von seinem nordamerikanischen Wassergeschäft, was Nestlé 4,3 Milliarden Franken einbrachte. Aber auch das chinesische Wassergeschäft, die Marke Buitoni in den USA oder die Mehrheit an der Charcuterie Herta verkaufte Nestlé im vergangenen Jahr.
Zudem wurde das US-Glacégeschäft, zu dem etwa die Marken Häagen-Dazs gehört, für 4 Milliarden an das gemeinsam mit der Beteiligungsgesellschaft PAI-Partners gegründete Joint Venture Froneri verkauft.
Der grösste Verkauf fand aber im Jahr 2019 statt, als Nestlé sich von seinem Hautpflegegeschäft trennte. Diese Transaktion spülte dem Konzern mehr als 10 Milliarden Franken in die Kasse.
Bountiful mit Umsatz von knapp 1,9 Mrd
Das neu erworbene Geschäft von Bountiful erzielte laut den Angaben im Geschäftsjahr 2020/21 einen Umsatz von 1,87 Milliarden Dollar, die EBITDA-Marge lag bei 18,3 Prozent. Diese Marge werde wohl durch einmalige Integrationskosten negativ beeinflusst und werde sich auch leicht verwässernd auf die bereinigte operative Marge von Nestlé im laufenden Jahr auswirken, hiess es im Communiqué. Nestlé zufolge entspricht der Kaufpreis dem 3,1-fachen des Bountiful-Nettoumsatzes und dem 16,8-fachen des Betriebsgewinns (EBITDA).
Zu den Kernmarken, die übernommen werden, zählen Nature’s Bounty, Solgar, Osteo Bi-Flex und Puritan’s Pride und auch die Bountiful-Eigenmarken. Sie sollen in Nestlé Health Science integriert werden und zusammen einen weltweit führenden Anbieter von Vitaminen, Mineralien und Nahrungsergänzungsmitteln schaffen. (awp/mc/pg)