Vevey – Nach einem schwachen Startquartal hat Nestlé im zweiten Jahresviertel 2024 seit Langem wieder deutlich mehr Ware abgesetzt. Erkauft hat sich das der Konzern unter anderem mit Aktionen und Marketing. Das kommt bei den Investoren gar nicht gut an, zumal die geringeren Preiserhöhungen das Wachstumstempo im Gesamtjahr drosseln dürften.
Der weltgrösste Lebensmittelkonzern erzielte von Januar bis Juni einen Umsatz von 45,0 Milliarden Franken, wie er am Donnerstag mitteilte. Organisch – also um Wechselkurseffekte sowie Zu- und Verkäufe bereinigt – wuchs Nestlé um 2,1 Prozent.
Starke «Milliarden-Marken» und viele neue Produkte
Die üblichen Kassenschlager waren auch im ersten Semester 2024 wieder erfolgreich: Laut Mitteilung leistete der Bereich Kaffee den grössten Beitrag zum organischen Wachstum, gefolgt vom Purina-Tierfutter.
Auch bei Süsswaren, Wasser und Säuglings- und Babynahrung legte Nestlé zu. Die 31 sogenannten «Billionaire Brands», die je über eine Milliarde Umsatz generieren und zusammen rund 70 Prozent des Umsatzes ausmachen, wuchsen organisch um 3,2 Prozent. Dazu gehören Marken wie Nescafé, Purina, Kitkat, S. Pellegrino oder Maggi.
Mehr Zurückhaltung bei Preisgestaltung
Einige Analysten hegen allerdings den Verdacht, dass Nestlé das Wachstum mit geringeren Preisaufschlägen und Aktionen forciert hat. Der Nahrungsmittelkonzern hatte nach einer längeren Durststrecke versprochen, ab dem zweiten Quartal zum stärkerem Mengenwachstum zurückzukehren.
Diese Rückkehr gelang – und zwar sehr deutlich. Die Volumen- und Mixeffekte (Real Internal Growth; RIG) trugen im zweiten Quartal 2,2 Prozent zum Wachstum bei – dafür kamen die Preissteigerungen mit einem Plus von 0,6 Prozent beinahe zum Erliegen. Es ist das erste Mal seit neun Quartalen, dass das RIG den Preiseffekt wieder übertrifft.
Mit höheren Preisen glich das Unternehmen zuletzt höhere Kosten aus, etwa für Rohstoffe, Verpackung oder Energie. Analysten warnten jedoch stets davor, dass das Unternehmen mit Preiserhöhungen die Kundennachfrage dämpfen könnte. Nun ist die Kritik genau umgekehrt: Die moderateren Preissteigerungen würden das RIG künstlich erhöhen, lautet der Vorwurf.
Dagegen wehrte sich Firmenchef Mark Schneider an einem Telefonat mit Analysten. «Zu sagen, dass die moderatere Preisgestaltung nur zur Ankurbelung der Volumen erfolge, wäre zu einfach», sagte er und betonte, dass der tiefere Preiseffekt unter anderem auch mit Promotionsaktivitäten für neue Produkte begründet werden könne und mit Aktionen für Konsumenten mit wenig Geld.
Nun hat Nestlé den Ausblick für das Gesamtjahr in Bezug auf das organische Wachstum gesenkt. «Bei den Preisanpassungen haben wir eine schnellere Verlangsamung beobachtet als erwartet. Daher halten wir es für angemessen, unseren Ausblick für das Gesamtjahr anzupassen. Wir erwarten neu ein organisches Umsatzwachstum von mindestens 3 Prozent», so Schneider. Zuvor hatte er mit «rund 4 Prozent» gerechnet. Obwohl teilweise erwartet, kommt diese Senkung des Ausblicks in Börsenkreisen nicht gut an.
Aktienkurs auf Jahrestief
Die Aktien von Nestlé wurden am Donnerstag im Handel abgestraft. Das Börsenschwergewicht verliert 5,1 Prozent auf 88,82 Franken, wobei das Tagestief bei 88,26 Franken markiert wurde. Die Papiere notieren damit so tief, wie zuletz Anfang 2019.
Man könne zwar argumentieren, dass sich alles um Volumen und Mix (RIG) drehe, schrieb ein Analyst. Aber das Pricing sei eben doch auch wichtig.
Nestlé hat im Halbjahr bei einem Umsatz von 45,0 Milliarden Franken einen zugrundeliegenden Betriebsgewinn (EBIT) von 7,8 Milliarden erzielt und eine entsprechende Marge von 17,4 Prozent. Den Reingewinn beziffert Nestlé auf 5,6 Milliarden. (awp/mc/pg)