Vevey – Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé räumt sein Portfolio weiter auf. Er verkauft das Lebensversicherungsgeschäft Gerber Life für 1,55 Milliarden US-Dollar an die amerikanische Western & Southern Financial Group.
Überraschend kommt der Verkauf keineswegs: Nestlé hat bereits im Februar 2018 angekündigt, für das Gerber-Life-Insurance-Geschäft «strategische Optionen» zu prüfen. Und etwas später sickerte dann durch, dass eine Investmentbank mit der Suche nach möglichen Käufern beauftragt wurde.
Dass der Nahrungsmittelkonzern mit Sitz in Vevey überhaupt ein Lebensversicherungsgeschäft im Portfolio führt, hat historische Gründe. Gerber ist 1927 als Hersteller von Frucht- und Gemüsekonserven gegründet worden und hat schon bald auf Babynahrung umgesattelt. In den 1960er-Jahren suchte das Unternehmen die Diversifizierung: Bald gab es so auch Gerber-Schnuller und -Spielzeug, und 1967 eben unter dem Namen Gerber Life Lebensversicherungen. Ausgerichtet war das Geschäft namentlich auf junge Familien mit schmalem Budget.
Versicherungsgeschäft mitaufgekauft
Als 1994 der Basler Sandoz-Konzern rund zwei Jahre vor seiner Fusion mit Ciba Gerber Products Company aufkaufte, übernahm er das Lebensversicherungsgeschäft gleich mit. Und auch 2007, als Nestlé schliesslich Novartis das Babynahrungsmittelgeschäft in den USA für 5,5 Milliarden Dollar abnahm, wechselte auch Gerber Life Insurance den Besitzer.
Für Gerber war die Versicherungssparte nicht unwesentlich: 2007 hatte sie rund 2,8 Millionen Versicherte und trug rund 22 Prozent zum Geschäftsvolumen bei. Und auch Nestlé fand durchaus gefallen am Geschäft: Dieses sei interessant, weil Dienstleistungen rund um die Ernährung auch in anderen Bereichen immer wichtiger würden, hiess es damals beim Kauf von Gerber.
Diese Haltung hat sich inzwischen geändert: Im Zuge der Fokussierung auf das Kerngeschäft und margenstarke Geschäfte wird Gerber Life Insurance veräussert, sobald die Wettbewerbsbehörden dafür grünes Licht gegeben hat. Dies wird gemäss Nestlé-Mitteilung vom späten Montagabend voraussichtlich Ende 2018 oder Anfang 2019 der Fall sein.
Gerber Life Insurance hatte 2017 einen Umsatz von 856 Millionen US-Dollar erwirtschaftet und verfügte Mitte 2018 gesetzliche Kapitalreserven und Überschusskapital im Umfang von etwa 285 Millionen Dollar. Die Western & Southern Financial Group wird die Marke Gerber Life weiter zur Vermarktung von Versicherungen nutzen können. Die Babynahrungsmarke Gerber Products dagegen bleibt bei Nestlé.
Babynahrung gehört zum Kerngeschäft
Der Nahrungsmittelkonzern wird nach eigenen Angaben die Entwicklung und den Ausbau des Babynahrungsgeschäftes fortsetzen. Obwohl Gerber in jüngster Vergangenheit nicht immer so florierte, wie Nestlé sich das gewünscht hätte, zählt die Babynahrungssparte zum Strategie des Konzerns, die sich unter die drei Stichworten Ernährung, Gesundheit und Wohlbefinden subsumieren lässt. Nestlé ist in den USA mit Gerber Products mit einem Marktanteil von rund 60 Prozent Marktführer für Babynahrung.
Mit dem Erlös aus dem Verkauf von Gerber Life Insurance wird Nestlé das Kerngeschäft mit Nahrungsmitteln und Getränken sowie den Bereich «Consumer Healthcare», also das Geschäft mit gesundheitsfördernden Produkten, stärken. Analysten zeigten sich am Dienstag vom für Gerber Life Insurance erzielten Preis sehr positiv überrascht.
«Wir hatten mit einem Verkaufspreis für das Lebensversicherungsgeschäft von bis zu 1 Milliarde Dollar gerechnet – und das war schon aggressiv», sagte etwa Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy.
Auf den Börsenkurs von Nestlé hatte der Verkauf des Lebensversicherungsgeschäft kaum eine Auswirkung, zumal der Deal ja angekündigt war. Die Nestlé-Titel gehörten am Dienstag mit einem Minus von 0,8 Prozent zu den schwächsten Titeln im insgesamt rückläufigen Leitindex SMI (-0,2%). (awp/mc/ps)