Nestlés-Wachstumsarchitekt Helmut Maucher ist gestorben
Vevey – Der langjährige Chef von Nestlé Helmut Maucher ist am Montag im Alter von 90 Jahren gestorben. Der charismatische Unternehmensführer hat Nestlé zum weltweit grössten Lebensmittelkonzern aufgebaut.
Maucher ist an seinem Wohnsitz in Bad Homburg D gestorben, wie Nestlé am Mittwoch mitteilte. Maucher sei eine hoch geschätzte Persönlichkeit sowie ein durchsetzungsstarker und weitsichtiger Unternehmenschef gewesen, der Nestlé zu dem gemacht habe, was es heute sei, lässt sich Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke in der Mitteilung zitieren.
Maucher hat jedoch nicht nur Nestlé, sondern auch Nestlé hat Maucher geprägt. Schon der Vater des gebürtigen Allgäuers war Nestlé-Angestellter. Maucher trat als Lehrling in seinem Heimatdorf Eizenharz ins Unternehmen ein. Danach wurde er Nestlé nur zweimal untreu. Von 1951 bis 1958 studierte er und von 1970 bis 1972 arbeitete er für die Grosseinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften.
Gewinn verfünffacht
1981 gelangte er an die Nestlé-Spitze und wurde Verwaltungsratsdelegierter des weltgrössten Nahrungsmittelkonzerns. Von 1990 bis 1997 war Maucher neben seiner Tätigkeit als Unternehmenschef auch Verwaltungsratspräsident. Den Umsatz hat Nestlé in dieser Zeit beinahe verdreifacht. Der Gewinn verfünffachte sich und der Wert der Nestlé-Aktie stieg auf das Zehnfache.
In den 1990-er Jahren sass Maucher zudem in verschiedenen Verwaltungsräten, so bei Crédit Suisse, Bayer, L’Oréal, ABB, der Deutschen Bahn und der Union Bancaire Privée. Mit diesen und anderen Verwaltungssratssitzen war er jahrelang die Nummer Eins der gewichtigsten Schweizer Verwaltungsräte.
Bei Nestlé übernahm Maucher die Verantwortung zu einem Zeitpunkt, als der Konzern unter politischem Druck stand. Wegen der Werbung für Babynahrung in der Dritten Welt wurde unter dem Motto «Nestlé tötet Babies» zu einem Boykott von Nestlé-Produkten aufgerufen. Maucher konnte durch Kontakte zu den kritischen Gruppen und eine Änderung der Unternehmenspolitik in Drittweltstaaten die Situation entschärfen.
Vorgänger von Brabeck
Im Juni 1997 gab Maucher nach 16 Jahren an der Spitze von Nestlé die operative Führung an den Österreicher Peter Brabeck-Letmathe ab. Er blieb aber bis ins Jahr 2000 Präsident des Verwaltungsrates. Bei Bekanntgabe des Rückzugs vom operativen Geschäft gab er an, er werde sein Arbeitspensum von 80 auf 60 Stunden reduzieren. Dafür werde er vermehrt Golf spielen.
1997 fand sich Maucher, der als musischer Mensch und Gourmet galt, für einmal in den Kultur- statt den Wirtschaftsspalten der Zeitungen wieder. Sein Wort «Wohlstandsmüll» als Umschreibung von arbeitsunwilligen und arbeitsunfähigen Menschen wurde zum «Unwort» des Jahres 1997 gewählt.
Die Jury begründete ihre Wahl damit, dass mit dem Ausspruch Mauchers ein «hoffentlich letzter Gipfel in der zynischen Bewertung von Menschen ausschliesslich nach ihrem ‹Marktwert› erreicht» worden sei.
Absolutischstischer Patron
Auch in der Einschätzung des Führungsstils von Maucher schieden sich die Geister. Die Wirtschaftszeitung «Bilanz» schrieb 1996, Maucher sehe sich als gottgesandten Chef, der nur Gott fürchte, der seinerseits Maucher fürchte.
In einem seiner Werke befand Maucher knapp: «Marketing ist Chefsache». Ein Firmenchef sollte nie wesentliche Bereiche in andere Hände geben, war sein Credo.
Eine andere Bewertung nahm die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung vor. Sie überreichte Maucher 2004 den «Preis Soziale Marktwirtschaft». Als Unternehmer habe Maucher neben dem wirtschaftlichen Erfolg immer auch die soziale Verantwortung im Blick gehabt, erklärte damals die Stiftung.
2013 wurde Maucher zudem mit dem Hinweis auf seinen Mut und Gelassenheit der Hanns-Martin-Schleyer-Preis verliehen. Maucher forderte anlässlich der Preisverleitung von den Wirtschaftsführern auch Glaubwürdigkeit, «weil doch heute so viel gelogen, betrogen und geschummelt wird», wie der damals sagte.
Kritiker hoher Mamangersaläre
Er zeigte sich auch später äusserst kritisch gegenüber der neuen Managergeneration. «Die sollten nicht so geldgierig herumlaufen und sich nur vom Geld motivieren lassen. Die verdienen doch alle genug», liess sich Maucher 2006 in einem Zeitungsinterview zitieren. Der damals 78-Jährige kritisierte damit auch seinen Nachfolger Brabeck. (awp/mc/ps)