Bern – Das Parlament hat den Anlegerschutz und die Aufsicht über die Finanzdienstleister neu geregelt. Der Nationalrat hat am Dienstag die letzten Differenzen zum Ständerat ausgeräumt.
Damit sind das Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und das Finanzinstitutsgesetz (Finig) bereit für die Schlussabstimmungen. Das Parlament zog den Vorlagen im Verlauf der Beratungen einige Zähne.
Die Linke zeigte sich deshalb am Ende enttäuscht. Die Gesetze dienten nun dem Schutz der Finanzbranche statt jenem der Anleger, sagte Prisca Birrer-Heimo (SP/LU). Aus Sicht der Rechten dagegen sind die Vorlagen stark verbessert worden. Die Branche stehe nun dahinter, hiess es.
Mit Fidleg wollte der Bundesrat nach der Finanzkrise den Anlegerschutz verbessern. Viele hatten ihr Vermögen verloren, weil sie die Risiken von Finanzprodukten nicht kannten. Neue Regeln sollten das in Zukunft verhindern.
Anleger informieren
Das Gesetz regelt, wie Kundinnen und Kunden über Finanzinstrumente informiert werden müssen. Für Privatkunden, professionelle und institutionelle Kunden gelten jeweils unterschiedliche Regeln. Vermögende Privatkunden können mit einem Opting-out erklären, dass sie als professionelle Kunden gelten wollen und somit weniger Schutz geniessen.
Basisinformationsblätter sollen den Anlegern ermöglichen, die Produkte zu vergleichen und einen fundierten Anlageentscheid zu treffen. Ein Prospekt ist nur dann erforderlich, wenn sich das öffentliche Angebot an mehr als 500 Anleger richtet und das öffentliche Angebot über ein Jahr 8 Millionen Franken übersteigt. Der Bundesrat hatte eine niedrigere Schwelle vorgeschlagen.
Die Räte haben die Informationspflichten auch in anderen Punkten abgeschwächt. So beschlossen sie, dass die Finanzdienstleister die Kunden nicht informieren müssen, wenn sich nachträglich bei einem Finanzinstrument wesentliche Änderungen ergeben, beispielsweise bezüglich des Anlagerisikos.
Keine Umkehr der Beweislast
Umstritten war, wer haftet, wenn ein Prospekt oder ein Basisinformationsblatt zu einem Finanzprodukt unrichtige, irreführende oder widerrechtliche Informationen enthält und der Kunde dadurch geschädigt wird. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass jeder haftet, der dabei mitgewirkt hat – soweit er nicht beweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Damit wäre die Beweislast umgekehrt worden.
Das hat das Parlament aber abgelehnt, die Beweislast bleibt beim Geschädigten. Die Räte einigten sich auf folgende Regelung: Wer unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben macht, ohne dabei die erforderliche Sorgfalt anzuwenden, haftet dem Kunden für den Schaden.
Erinnerung an Lehman Brothers
Die Befürworter der bundesrätlichen Version wiesen vergeblich auf die Erfahrungen der Opfer von Lehman Brothers hin. Es sei schlicht nicht möglich, einer Bank nachzuweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt habe, befanden sie.
Bereits nach der Vernehmlassung hatte der Bundesrat auf Massnahmen verzichtet, die dazu führen sollten, dass Geschädigte ihre Ansprüche einfacher vor Gericht durchsetzen können. Das Parlament hat nun zusätzlich darauf verzichtet, die Hürden für die Einleitung eines Zivilprozesses zu senken.
Widerrufsrecht wird eingeschränkt
Im Zuge der Beratungen haben die Räte ferner beschlossen, das Widerrufsrecht für Haustür- und Telefongeschäfte einzuschränken: Für Verträge und Geschäfte, die im Rahmen bestehender Finanzdienstleistungsverträge abgeschlossen werden, gilt kein vierzehntägiges Widerrufsrecht mehr.
Die neue Regelung soll Missbrauch verhindern. Heute könnte jemand ein Börsengeschäft tätigen und bei sinkenden Kursen sein Widerrufsrecht geltend machen. Die Gegnerinnen und Gegner kritisierten, damit werde der Konsumentenschutz geschwächt, ohne dass es dazu eine Vernehmlassung gegeben habe.
Aufsicht ausgeweitet
Mit dem Finig werden neu auch die unabhängigen Vermögensverwalter einer Aufsicht unterstellt. Diese obliegt aber nach dem Willen der Räte keiner staatlichen Behörde, sondern Organisationen, die von der Finanzmarktaufsicht (Finma) bewilligt und beaufsichtigt werden.
Zuletzt war noch umstritten, ob die Branche Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung der Kundenberater erlassen soll. Der Nationalrat folgte dem Ständerat, der diese Klausel gestrichen hatte.
Ferner zeigte sich der Nationalrat einverstanden damit, dass Genossenschaftsbanken ermöglicht wird, Beteiligungskapital aufzunehmen, um die Eigenkapitalbasis zu stärken. Das betrifft heute einzig die Raiffeisen, die zu den systemrelevanten Banken zählt. Der Nationalrat hatte die Frage zunächst in einer separaten Vorlage regeln wollen. (awp/mc/ps)