Bern – Nachdem mehrere Staaten und die EU wegen einer neuen möglicherweise gefährlicheren Coronavirus-Variante aus dem südlichen Afrika die Flugreisen eingeschränkt haben, analysiert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Lage. Massnahmen ergriff es noch nicht.
In der Schweiz analysiert das BAG die vorhandenen Daten, wie es am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Das Amt steht demnach im Austausch mit allen Akteuren innerhalb und ausserhalb der Verwaltung.
Die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO über die Coronavirus-Variante B.1.1.529 (Ny) und deren Gefährlichkeit werde ebenfalls Einfluss auf das weitere Vorgehen der Schweiz haben, hiess es weiter. Sobald Entscheide gefallen sind, stellte das BAG weitere Informationen in Aussicht. Im Programm zur Überwachung der Gensequenzierung wurde die Variante in der Schweiz bislang nicht nachgewiesen.
Aggressiveres Virus
Die wissenschaftliche Taskforce des Bundes teilte auf Anfrage mit, die neue Variante verbreite sich schnell. Verglichen mit der aktuell in der Schweiz vorherrschenden Delta-Mutation des Virus sei ihr Potenzial, die Impfabwehr zu durchbrechen, grösser. Allerdings seien die Fallzahlen in Südafrika noch recht niedrig, obwohl sich die sogenannte Ny-Variante dort gegen Delta durchzusetzen scheine.
Unter welchen Bedingungen sich diese Variante schneller überträgt als Delta, ist im Moment unklar. Das könnte gemäss Taskforce zum Beispiel von der Durchimpfung abhängen.
Richard Neher, der Varianten-Experte der Taskforce, erklärte, die neue Variante unterscheide sich an vielen Stellen im Spike-Protein von den ursprünglichen Varianten und kombiniere viele Mutationen, die aus anderen besorgniserregenden Varianten bekannt sind.
Viele dieser Veränderungen betreffen laut Neher Stellen in dem Protein, an welche Antikörper anbinden. Damit sei vorstellbar, dass die Variante «sowohl sehr übertragbar ist, als auch Teilen der Immunantwort entkommt».
Impfung gegen Ny nicht nutzlos
Die Berner Epidemiologin Emma Hodcroft sagte in einem Interview mit den Online-Ausgaben der Tamedia-Zeitungen, über die Ny-Variante gebe es noch wenige Daten. Die zahlreichen Mutationen an dem Virus könnten es dem Immunsystem erschweren, es zu erkennen. Allerdings seien das Laborergebnisse, und das Immunsystem sei zu kompliziert, um sich im Labor nachbilden zu lassen.
Die Impfung bleibe aber in jedem Fall sinnvoll, sagte Hodcroft. Möglicherweise werde sie gegen die Ny-Mutation weniger effektiv sein. Es sei aber unwahrscheinlich, dass sie komplett nutzlos werde.
Verschiedene europäische Länder und die EU verfügten am Freitag Einschränkungen oder sogar Landeverbote für Flüge aus verschiedenen Ländern im südlichen Afrika. Die Lufthansa und ihre Tochter Swiss fliegen weiter, verschärfen ersten Angaben zufolge aber die Hygiene-Vorschriften.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfahl wissenschaftlich fundierte Massnahmen und Risikobewertungen, aber keine Reisebeschränkungen. Sie wird die Ansteckungsgefahr durch die neue Variante in der nächsten Zeit einschätzen.
Verschärfungen in Kantonen
Im Kampf gegen die in der Schweiz grassierende Delta-Variante des Coronavirus erliessen Nidwalden – ein Hotspot im Infektionsgeschehen, Uri und Bern die 3G-Regel für Heime und Spitäler.
Bern verhängte ab Montag zudem Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen und Schulen ab dem 5. Schuljahr. Das BAG empfahl den Kantonen repetitive Tests, damit sich der Präsenzunterricht in den Schulen aufrecht erhalten lässt.
Polizei bereitet Abstimmungssonntag vor
Im Hinblick auf die Abstimmung über das Covid-19-Gesetz am Sonntag erwartet die Kantonspolizei Bern Demonstrationen von Gegnern des Gesetzes. Sie wird deshalb die Bundesplatzsperre aufbauen und die Bundesterrasse mit Rollgittern absperren. Möglicherweise errichtet sie Kontrollpunkte für den Zugang zum Bundeshaus und dessen Umgebung. (awp/mc/pg)