Bern – Die Atempause beim Anstieg der Krankenkassenprämien ist vorbei. Santésuisse rechnet für 2019 und 2020 mit einem Kostenwachstum im Gesundheitswesen von je rund drei Prozent. In einigen Bereichen könnten die Kosten in den nächsten zwei Jahren gar bis fünf Prozent steigen.
Voraussichtlich im gleichen Rahmen wie 2018 und 2019 steigen dürften die Krankenkassenprämien, teilte der Krankenkassenverband Santésuisse am Montag mit. Grund für den geringeren Prämienanstieg seien die Überschüsse, die die Kassen wegen des im laufenden Jahr tieferen Kostenwachstums erzielt hätten.
2019 war die mittlere Prämie um durchschnittlich 1,2 Prozent gestiegen. Gesundheitsminister Alain Berset wertete dies im vergangenen Herbst als Zeichen für die gute Arbeit des Bundesrates und des Parlaments in den letzten Jahren.
Zuwachs bei Physiotherapie und Spitex
Einen überdurchschnittlichen Anstieg erwartet der Verband etwa bei der Physiotherapie, mit einem Plus von je sechs Prozent im Jahr 2019 und 2020. Als Gründe nennt er die höhere Zahl von Therapeutinnen und Therapeuten und auch die gestiegene Zahl von Behandlungen.
Ebenfalls rund sechs Prozent mehr kosten dürfte die Spitex. Grund ist laut Santésuisse, dass immer mehr Menschen nicht ins Alters- oder Pflegeheim umziehen, sondern sich zuhause von der Spitex versorgen lassen. Die Kosten der Pflegeheime dürften derweil stabil bleiben.
Ein Kostenwachstum von rund fünf Prozent erwartet Santésuisse schliesslich bei den ambulanten Spitalleistungen sowie bei den Laboruntersuchungen. Auch bei den von Ärzten abgegebenen Medikamenten sei in den nächsten zwei Jahren mit einem Kostenwachstum von über drei Prozent zu rechnen.
«Endlich griffige Gegenmassnahmen»
Wegen des befürchteten Anstiegs der Kosten brauche es nun «endlich griffige Gegenmassnahmen», hielt der Verband fest. Vorschläge gibt es zwar. Doch das Problem sei die Umsetzung, sagte Santésuisse-Direktorin Verena Nold in Bern vor den Medien.
Von neun von Experten vorgeschlagenen Massnahmen bei den Medikamenten sind laut Santésuisse lediglich zwei im ersten Kostendämpfungspaket des Bundesrates enthalten. Es sind tiefere Vertriebsmargen und das Referenzpreissystem.
Nicht weiterverfolgt wurde die von Santésuisse geforderte jährliche Überprüfung der Preise mit dem Ausland. Ebenfalls auf der langen Bank liegt laut Santésuisse die Möglichkeit für Patientinnen und Patienten, Medikamente günstiger im Ausland zu kaufen und sich den Preis von der Kasse rückerstatten zu lassen.
Generika kosteten in der Schweiz doppelt so viel wie im Ausland und ihr Anteil im Markt belaufe sich nur auf 20 Prozent, sagte Nold. Das sei im europäischen Vergleich ein sehr kleiner Anteil.
«Zusatzwünsche» kosten
Für Gesundheitseinrichtungen – ob ambulant oder stationär – fordert Santésuisse eine Koordination über die Kantonsgrenzen hinaus. Nötig wären laut Nold auch Pauschalen für ambulant erbrachte Leistungen. Bei den stationär erbrachten Leistungen hätten die Fallpauschalen zu einer Stabilisierung der Preise geführt.
«Zusatzwünsche», die gegenwärtig in der Politik diskutiert werden, könnten die Kosten noch mehr nach oben treiben, so Santésuisse. Zu Milliardenkosten führen würde etwa die Umsetzung der Pflegeinitiative oder eines indirekten Gegenvorschlages. Höhere Kosten befürchtet Santésuisse auch durch die personalisierte Medizin und neue Medikamente. (awp/mc/pg)