Neuer Swiss-Chef will beim Wachstum auf die Bremse treten
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Kloten – Nach dem steilen Aufschwung als Folge des Endes der Coronapandemie tritt der neue Swiss-Chef Jens Fehlinger auf die Bremse. Das Wachstum soll im laufenden Jahr im Vergleich zu 2024 ungefähr halbiert werden.
Im vergangenen Jahr sei die Swiss bei den angebotenen Sitzkilometern um rund 10 Prozent gewachsen, sagte der Deutsche am Montag an einer Medienkonferenz zu seinen ersten 140 Tagen im Amt: «Wir wollen nicht mehr Wachstum produzieren, als das Luftverkehrssystem vertragen kann.»
Der markante Ausbau im letzten Jahr hatte Folgen bei der Qualität. Die Swiss habe nur eine Pünktlichkeit von 65 Prozent erreicht und damit das eigene Ziel von 70 Prozent verfehlt, sagte Fehlinger. Als Gründe dafür nannte er beispielsweise Überlastungen im Luftraum, verstopfte Flughäfen, schlechtes Wetter, Probleme bei der Gepäckabfertigung oder Triebwerkprobleme sowie fehlende Ersatzteile. Die Lieferketten bei Airbus und Boeing seien nicht mehr so stabil wie vor der Pandemie.
Die Pünktlichkeit entspreche nicht seinen Ansprüchen, sagte der Swiss-Chef, der am 1. Oktober 2024 die Nachfolge von Dieter Vranckx angetreten hat. «Wir haben uns aber verbessert, obwohl wir 10 Prozent mehr Verkehr hatten. Wir sind aber bei der operationellen Stabilität, bei der Pünktlichkeit, bei der Zuverlässigkeit nicht auf dem Niveau, wo wir 2019 waren. Da arbeiten wir daran.»
Im laufenden Jahr wolle die Swiss eine Pünktlichkeitsquote von rund 70 Prozent erreichen, fuhr Fehlinger fort. Verbesserungen verspricht er sich bei der Einsatzplanung von der Zusammenarbeit mit Google-Cloud. Am langfristigen Ziel von 80 Prozent halte man fest. Man führe diesbezüglich auch Gespräche mit dem Flughafen Zürich und der Flugsicherung Skyguide.
Weniger Auftragsflüge von Air Baltic
Die Halbierung des Wachstums solle zu Lasten der Auftragsflüge gehen, die von Partnerairlines durchgeführt werden und im Fachjargon «Wetlease» genannt werden. Bei diesen heuert die Swiss Flugzeuge samt Besatzung von anderen Airlines an. Derzeit habe die Swiss rund 20 Auftragsflieger im Einsatz.
Am Partner Helvetic Airways will der neue Swiss-Chef festhalten. Dagegen würden die sechs angemieteten Flüge von Air Baltic reduziert, da diese weiter entfernt sei von der Marke Swiss als Helvetic Airways. Das Ausmass der Reduktion hänge dabei von der Verfügbarkeit der eigenen Flugzeuge und Triebwerke ab.
Ganz loswerden kann die Swiss die nordosteuropäische Fluggesellschaft aber nicht: «Wir werden die Air Baltic weiterhin brauchen, um Spitzenzeiten abzudecken und die Langstreckenflugzeuge zu füllen.»
Qualität soll besser werden
Aber nicht nur bei der Pünktlichkeit will der neue Swiss-Chef besser werden. Verbesserungen soll es auch bei der Zuverlässigkeit, dem Service, Essen und Getränken und an Bord geben. Ab September soll der neue Langstreckenjet Airbus A350 den Betrieb aufnehmen. Damit biete die Swiss eine ganz neue First Class mit Suiten, eine neue Businessklasse, eine aufgemöbelte Premium Economy und grössere Bildschirme in der Economy.
Bis Ende 2027 erhofft sich die Swiss die ersten fünf A350 zu erhalten, die restlichen fünf Maschinen sollen dann bis 2030 oder 2031 folgen, wie Fehlinger sagte. Dieser neue Typ wird die veralteten Airbus A340 ersetzen.
Selber will die Swiss weiter expandieren. Im vergangenen Jahr habe die Schweizer Lufthansa-Tochter weit über 1000 Mitarbeiter angestellt. Dieses Jahr sollen es etwas unter 1000 neue Beschäftigte sein. Der Arbeitsmarkt gebe das her, am knappsten sei die Lage bei den Piloten. Aber auch hier sei die Swiss konkurrenzfähig.
Zudem will die Swiss die anderen Langstreckenflugzeuge ebenfalls modernisieren. In den nächsten fünf bis sieben Jahren würden insgesamt 5000 Sitze in den Airbus A330 und Boeing 777 ausgetauscht.
Am Flughafen soll es auch Verbesserungen geben. Während des Umbaus des Docks A am Flughafen Zürich der über 10 Jahre dauern soll, wird für die Swiss ein neues Lounge-Gebäude errichtet. Dort könnten die Vielflieger Hon, Senator, First-Class- und Business-Klassenpassagiere direkt einchecken und zum Flugzeug gebracht werden.
Einstieg von Unfall überschattet
Seine ersten 100 Tage im Amt habe er sich anders vorgestellt, sagte Fehlinger, der von der Lufthansa-Gruppe zur Schweizer Airline stiess: Es sei ein sehr ereignisreicher Start gewesen. Überschattet wurde er von dem Unfall in Graz. Eine Swiss-Maschine musste dort am 23. Dezember notlanden, weil sich wegen eines Triebwerkschadens Rauch in der Kabine entwickelt hatte. Ein junger Flugbegleiter starb.
Der Fokus sei deshalb auf der Unterstützung der Familie, der Freunde und der Hinterbliebenen gelegen. «Das beschäftigt uns noch heute und trifft uns immer noch tief», sagte Fehlinger. Es war der erste tödliche Unfall in der Swiss-Geschichte.
Neue Erkenntnisse zur Unglücksursache hat Fehlinger nicht. Das Triebwerk werde in den USA genauestens untersucht. Man müsse die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten. Das könne noch Monate dauern, sagte der Swiss-Chef. (awp/mc/ps)