Neues Steuerregime für ausländische Konzerne
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)
Bern – Die Vorschläge für die nächste Unternehmenssteuerreform liegen auf dem Tisch: Neue Sonderregeln und tiefere kantonale Gewinnsteuern sollen die Steuerprivilegien für Holdings ersetzen. Wie die hohen Steuerausfälle kompensiert werden sollen, bleibt jedoch offen.
Weil die EU die kantonalen Steuerprivilegien für Holdings und andere Spezialgesellschaften nicht mehr akzeptiert, haben Vertreter von Bund und Kantonen in den vergangenen Monaten über Alternativen nachgedacht. Das Ziel: Die Schweiz soll steuerlich attraktiv bleiben, aber Unternehmen nur noch mit international akzeptierten Mitteln anlocken.
Das neue Steuerregime soll – anders als das heutige – in- und ausländische Gewinne gleich behandeln, keine Schlupflöcher bieten, steuersystematisch begründbar sein und mindestens in einem EU-Staat angewendet werden.
Lizenzbox an erster Stelle
Im Mai hatten die Vertreter von Bund und Kantonen einen Zwischenbericht vorgelegt. Am Donnerstag ist nun der Schlussbericht veröffentlicht worden. Die im Frühjahr skizzierte Richtung wird darin bestätigt. Der Bericht empfiehlt ein Bündel von steuerlichen Massnahmen, um die Abschaffung der heutigen Privilegien zu kompensieren.
An erster Stelle steht die Einführung einer sogenannten Lizenzbox bei den kantonalen Steuern. Dies bedeutet, dass bestimmte Erträge – nämlich jene aus der Verwertung von geistigem Eigentum – privilegiert besteuert werden. Der Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Adrian Hug, sieht dies als Chance für die Schweiz, weil so Innovationen gefördert würden.
Auch Lizenzbox umstritten
Die Lizenzbox wird heute in verschiedenen EU-Staaten angewendet. Allerdings steht auch dieses Mittel in der Kritik jener Gremien, welche die Steuerregimes überprüfen, wie Christoph Schelling vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) vor den Medien darlegte. Derzeit sei schwierig abzuschätzen, worauf man sich international am Ende einige, heisst es im Bericht.
Die Lizenzbox soll für alle Kantone verbindlich im Steuerharmonisierungsgesetz umschrieben werden. Neben der Lizenzbox empfiehlt der Bericht weitere steuerliche Massnahmen, darunter die bereits geplante Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital sowie die Zinsbereinigung der Gewinnsteuer. Dies soll dazu dienen, für die konzerninterne Finanzierung steuerlich wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu bieten.
Gewinnsteuersätze sinken
Daneben sollen die Kantone je nach Bedarf die kantonalen Gewinnsteuern senken, um zu verhindern, dass Unternehmen bisher privilegierte Aktivitäten in ein anderes Land auslagern. Die Kantone sind in unterschiedlichem Masse betroffen, weil die Gewinnsteuersätze stark differieren. Wie stark der Gewinnsteuersatz gesenkt werden müsste, hängt zudem von der exakten Ausgestaltung der anderen Massnahmen ab.
Im Durchschnitt aller Kantone könnte die Gewinnsteuerbelastung maximal von heute knapp 22% auf 14% gesenkt werden. Als minimale Steuersenkung nimmt der Bericht eine Reduktion auf 18% an. Fest steht, dass der Finanzausgleich angepasst werden müsste.
Steuerausfälle von 1 bis 3 Mrd Franken
Wie hoch die Steuerausfälle wären, lässt sich nicht genau beziffern. Wie bereits im Frühjahr schätzen die Experten die Kosten auf 1 bis 3 Mrd CHF. Die Lasten sollen etwa hälftig auf Bund und Kantone aufgeteilt werden.
Auf der Ausgabenseite beläuft sich das Potenzial beim Bund laut dem Bericht aus heutiger Sicht auf kaum mehr als 1 Mrd CHF. Ohne Massnahmen auf der Einnahmenseite können die Ausfälle also nicht aufgefangen werden.
Neue Beteiligungs-Gewinnsteuer
Im Vordergrund steht gemäss dem Bericht die Einführung einer Beteiligungs-Gewinnsteuer. Heute sind Gewinne aus Beteiligungen, die im Privatvermögen natürlicher Personen gehalten werden, steuerfrei. Mit einer Beteiligungsgewinnsteuer würden Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Wertschriften steuerbar, und Kapitalverluste würden abzugsfähig. Dies würde den Kantonen und Gemeinden gegen 800 Mio CHF einbringen, dem Bund über 300 Mio.
Die Unternehmenssteuerreform III könnte auch dazu führen, dass in den Kantonen die direkten Steuern für natürliche Personen erhöht werden, heisst es im Bericht. Deshalb sollten sich allfällige Steuererhöhungen auf Bundesebene auf die indirekten Steuern beschränken, namentlich die Mehrwertsteuer.
Keine konkreten Empfehlungen
Der Bericht hält allerdings auch fest, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer «politisch eher kritisch zu beurteilen» sei, wie die Stellungnahmen zum Zwischenbericht im Frühjahr gezeigt hätten. Eine weitere Möglichkeit wäre die Abschaffung oder Reduktion von Steuervergünstigungen, etwa des Abzugs für auswärtige Verpflegung.
Konkrete Empfehlungen sind im Bericht nicht zu finden. Die Autoren betonen indes, die Belastungen der öffentlichen Haushalte dürften nicht nur mit dem Status quo verglichen werden. Sie müssten auch den Einnahmeausfällen gegenübergestellt werden, die ohne steuerliche Massnahmen drohten.
Holdings, Domizilgesellschaften und gemischte Gesellschaften leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Staatstätigkeit. Der Bericht geht nun in eine Konsultation der Kantone, bevor der Bundesrat über die weiteren Schritte entscheidet. Die Eröffnung der Vernehmlassung ist für den Herbst 2014 geplant.
«Nichts tun ist keine Alternative»
Die Abschaffung der heutigen Steuerprivilegien für Holdings und andere Spezialgesellschaften ist aus Sicht von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf unumgänglich. Das Festhalten am heutigen Regime sei keine Alternative, sagte sie am Donnerstag vor den Medien in Bern. Dies sehen auch die Kantone so: «Nichts tun ist keine Option», sagte der Präsident der Finanzdirektorenkonferenz, Peter Hegglin. Würde die Schweiz trotz Kritik am heutigen Regime festhalten, würden Retorsionsmassnahmen drohen. Ausserdem wäre damit zu rechnen, dass internationale Unternehmen abwanderten, weil sie dauernd «angeschossen» würden, sagte Widmer-Schlumpf.
Unumgänglich ist für die Finanzministerin aber nicht nur die Abschaffung der heutigen Privilegien, sondern auch deren Ersatz. Der Konkurrenzkampf sei hart, auch andere Länder hätten gute steuerliche Bedingungen und Sonderregeln, gab sie zu bedenken. (awp/mc/pg)