«Nicht die Angst vor Risiken soll das Handeln bestimmen»
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am Europa Forum Luzern. (Foto: Europa Forum Luzern)
Luzern – „Der internationale Veränderungsdruck hat sich stark erhöht. Es ist wichtig, dass wir die multinationale Diplomatie verstärken. Mit anderen zusammen nach Lösungen zu suchen, das muss der Weg sein“, meinte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zur Eröffnung des gestrigen öffentlichen Abends am Europa Forum Luzern vor über 1‘000 Gästen.
Nicht mit Umgehungen und Tricksereien sondern mit Qualität, Stabilität, Integrität und guten Leistungen müsse die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden, bekräftige Bundesrätin Widmer-Schlumpf die Vorteile des Finanz- und Wirtschaftsplatzes Schweiz. Dazu sei aber der freie Marktzugang prioritär. Demnächst liege dem Bundesrat der Schlussbericht vor, der aufzeige, welche Wege dafür eingeschlagen werden müssten. Von einem Renminbi-Hub in der Schweiz, einer Devisen-Drehscheibe für die chinesische Währung, verspräche sie sich einen Wachstumsschub für den Finanzplatz Schweiz. Dafür habe die Schweiz mit der Exportwirtschaft, dem Rohwarenhandelsplatz, einer eigenen Währung und politischer wie wirtschaftlicher Stabilität Top-Karten. Aber die Konkurrenz mit London, Frankfurt und Luxembourg sei gross.
Viele Dossiers bestimmen die Agenda
Die vielfältigen Auswirkungen des JA zur Masseinwanderungsinitiative beherrschten die Podiumsdiskussion an der öffentlichen Abendveranstaltung des Frühjahrs-Forum 2014. Im Ringen um die besten Forschungsstätten mit den weltbesten Professoren gerate die ETH Zürich mit diesem Entscheid ins Hintertreffen, befürchtete Rektor Lino Guzzella. Der Unternehmer Klaus Endress meinte, dass sich die Schweiz mit dem Entscheid keinen Gefallen gemacht habe. Damit werde die Erfolgsspirale unterbrochen, Unternehmer sähen sich nach neuen Standorten um, die nicht so teuer und berechenbarer seien. Auch Anton Affentranger, CEO von Implenia, befürchtete bei allem Respekt vor dem Volksentscheid, dass langfristige Investitionsentscheide verschoben würden, weil die Planungssicherheit fehle. Die österreichische Abgeordnete Maria-Theresia Fekter zeigte sich skeptisch, dass eine separate Lösung in der Frage der Personenfreizügigkeit gefunden werden könne, mit der die EU und die Schweiz gut leben könnten. Denn die Freizügigkeit sei eine der grossen Errungenschaften von Europa, die generell nicht ausser Kraft gesetzt werden könne.
Internationale Wachstums-Perspektiven
Thomas Helbling, Forschungsleiter weltwirtschaftliche Studien beim Internationalen Währungsfonds IWF, zeigte sich besorgt über den zögerlichen Aufschwung in den Industrienationen. Die Euro-Zone sei noch nicht aus der Krise. Es finde derzeit ein schmerzhafter Anpassungsprozess statt. Die Perspektiven müssten längerfristig auf tieferem Niveau angepasst werden. Dies treffe Industrie- und Schwellen-Länder in unterschiedlichem Ausmass. Perspektiven der weltwirtschaftspolitischen Entwicklungen zeigte Guillermo Valles Galmés von der UNCTAD auf: „Die Schwellenländer steuern heute ca. die Hälfte zur Weltproduktion bei, 1950 waren es erst zehn Prozent. Dank dieses Wachstums hat sich die Armut halbiert. Dennoch sind immer noch 202 Mia. Menschen ohne Arbeit“. Christoph Mäder, Geschäftsleitungsmitglied der Syngenta, stellte die Frage in den Raum, wie die von der WHO prognostizierten 9,6 Mia. Menschen im Jahr 2050 ernährt werden könnten. Er forderte eine pragmatische und ehrliche Diskussion darüber, wie die Produktivität gesteigert und die Biodiversität beibehalten werden könne.
Auswirkungen auf dem Prüfstand
Dass Wachstum zur Sicherung von Wohlstand und einer erfolgreichen Wirtschaft notwendig sei, war bei allen Referenten unbestritten. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die nachfolgende Generation über genügend unverbaute Räume, eine sichere Energieversorgung und über vernünftige Mobilitätslösungen verfüge. Die Schweiz wachse in die Breite, dies habe Nebenwirkungen. Die Bevölkerung sei sensibilisiert für Landschaft und Raum, hinterfrage den Energiekonsum und die Mobilität. Es brauche nun eine breite Diskussion über die Herausforderungen, denn Wachstumsfragen seien immer auch politische Fragen. Zum Abschluss des Abends luden Kanton und Stadt Luzern zum Networking-Dinner, an dem die verschiedenen Voten für genügend Gesprächsstoff sorgten.