No-Billag-Initiative im Ständerat chancenlos
Bern – Radio und Fernsehen sollen weiterhin über Gebühren finanziert werden. Der Ständerat hat sich am Mittwoch gegen die Initiative zur Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren ausgesprochen. Als Blankocheck für die SRG wollen die Gegner das aber nicht verstanden wissen.
Eine Abstimmung war nicht nötig, im Rat herrschte seltene Einigkeit: Die Annahme der Initiative würde das Funktionieren der Demokratie gefährden, lautete der Tenor. Ein vielfältiges Angebot in allen Sprachregionen sei in einer direkten Demokratie wichtig, und dieses lasse sich im kleinen Markt nur mit Gebühren finanzieren.
Viele Standesvertreter wiesen besonders auf die Bedeutung des heutigen Systems für die Randregionen hin – und darauf, dass die Gebühren nicht nur der SRG, sondern auch regionalen Privatmedien zukommen. Mit einer Annahme der Initiative nähme die Schweiz in Kauf, dass das Fernsehen nur noch Teile des Landes erreiche – «mit beliebigen Inhalten, die sich nur nach der Quote richten», sagte Stefan Engler (CVP/GR).
Drohende «Berlusconisierung»
In Zeiten von «Fake news» werde der Stellenwert eines unabhängigen, gebührenfinanzierten Mediums besonders deutlich, sagten Joachim Eder (FDP/ZG) und Damian Müller (FDP/LU). Konrad Graber (CVP/LU) warnte, mit der Abschaffung der Gebühren würde eine Berlusconisierung drohen. «No Billag heisst no SRG», stellte er fest.
SRG-Bashing sei «in», stellte Claude Janiak (SP/BL) fest. Auch werde wider besseres Wissen der Begriff «Staatsfernsehen» verwendet. Würden aber der Staat oder Private übernehmen, wäre die Gefahr der Einflussnahme auf die Berichterstattung gross. Dafür gebe es genügend Beispiele, nicht nur im Ausland.
«Gefährlich und demagogisch»
Auf Kritik stiess auch das Argument der Initianten, jeder sollte nur bezahlen, was er konsumiere. In dieser Logik müsste nur Krankenkassenprämien zahlen, wer krank sei, sagte Raphaël Comte (FDP/NE). Ohne minimale Solidarität funktioniere das Gemeinwesen nicht.
Die Initiative wolle schlicht den Service public zerstören. Sie sei gefährlich und demagogisch. «Und Demagogie ist für die Demokratie, was Prostitution für die Liebe ist», sagte Comte. Hans Wickli (FDP/NW) formulierte es nüchterner: Eine schlecht informierte Gesellschaft wäre für die Demokratie fatal. Und Beat Vonlanthen (CVP/FR) rief: «Nein, Nein und nochmals Nein zu dieser unsäglichen Initiative.»
SRG soll sich nicht zu sicher fühlen
Auch für einen Gegenvorschlag mit einer Halbierung der Gebühren, wie er im Nationalrat von Seiten der SVP eingebracht werden könnte, sprach sich im Ständerat niemand aus. Für ihn komme weder die Initiative noch ein Gegenvorschlag in Frage, erklärte der Glarner SVP-Ständerat Werner Hösli.
Gleichzeitig empfahl er der SRG allerdings, sich in der «Hoch-zu-Ross-Position» nicht allzu sicher zu fühlen. Die Zeiten hätten sich geändert, die SRG spiele bei den Jungen keine Rolle mehr. Die Zukunft werde darauf hinauslaufen, dass niemand mehr Gebühren im heutigen Ausmass bezahlen wolle. «Wenn der Bundesrat und die SRG das nicht zur Kenntnis nehmen, werden sie sich eine blutige Nase holen», sagte Hösli.
«Keine heilige Kuh»
Andere Rednerinnen und Redner lobten zwar die SRG, forderten aber gleichzeitig, diese müsse sich bewegen. «Die SRG ist keine heilige Kuh», stellte Comte fest. Sie müsse bereit sein, sich anzupassen, befand Josef Dittli (FDP/UR). So sei fraglich, ob die SRG alles tun müsse, was sie heute tue. Vonlanthen empfahl der SRG, die Situation auf dem Werbemarkt zu beruhigen. Die Werbeallianz Admeira mit Ringier und Swisscom könnte im Abstimmungskampf zum Problem werden.
Zu links oder zu rechts
Zur Sprache kam auch Kritik an den einzelnen Sendungen. Werner Luginbühl (BDP/BE) stellte fest, den Linken seien diese zu rechts, den Rechten zu links – und die Mitte habe das Gefühl, sie komme gar nicht vor. «Diese allgemeine Unzufriedenheit zeigt vielleicht, dass es die SRG gar nicht so schlecht macht.» Das findet auch der Bundesrat. Eine unabhängige Berichterstattung sei wichtig und dürfe nicht von Unternehmen abhängen, sagte Medienministerin Doris Leuthard. Die Bevölkerung in Ländern mit starken öffentlichen Medien sei besser informiert.
Leuthard: Ein Schuss ins Knie
Ein Ja zur Initiative wäre laut Leuthard aber auch fürs Budget der Haushalte schädlich. Sie sprach von einem «Schuss ins Knie». Fernsehen «à la carte» mit Pay-Paketen sei nämlich nicht günstiger, sondern teurer, sagte Leuthard mit Verweis auf die Preise für Sportprogramme. Auch der Bundesrat sei aber nicht der Meinung, dass die SRG alles gut mache und dass es keinen Handlungsbedarf gebe. Diesen sieht Leuthard vor allem in Zusammenhang mit der Digitalisierung. Weiter empfahl sie der SRG, bescheidener aufzutreten.
«Es geht ums Prinzip»
Über die Initiative entscheidet nun der Nationalrat. Dahinter stehen Vertreter der Jungen SVP und der Jungfreisinnigen. Die Initianten argumentieren, die Programme der SRG gefielen nicht allen. Dass alle dazu gezwungen würden, sie über «Zwangsgebühren» mitzufinanzieren, sei unfair. Es gelte, der SRG den Gebührenhahn zuzudrehen. Der freie Markt werde die Medienvielfalt sicherstellen.
Selbst wenn das Parlament den Stimmvolk einen Gegenvorschlag vorlegen würde, werde die Initiative nicht zurückgezogen, erklärte Matthias Müller, Vizepräsident der Jungfreisinnigen Schweiz, am Montag in einem sda-Video nach der Debatte im Ständerat. «Uns geht es ums Prinzip.» Die Gebühr sei im digitalen Zeitalter nicht mehr zeitgemäss und gehöre deshalb abgeschafft.
Die SRG wird heute zu 70 bis 73% über Gebühren finanziert. Sie erhält von den insgesamt 1,35 Mrd CHF 1,235 Mrd. Rund die Hälfte der Gebührengelder fliessen in die Information. Die privaten Haushalte bezahlen eine jährliche Empfangsgebühr von 451 CHF. Mit dem Systemwechsel von einer Gerätegebühr zu einer Haushaltsabgabe soll diese auf 400 CHF sinken. (awp/mc/upd/pg)