Joe Jimenez, CEO Novartis. (Foto: Novartis)
New York – Der Pharmakonzern Novartis ist in den USA mit einer Klage konfrontiert. Die Behörden werfen dem Unternehmen vor, Schmiergelder bezahlt zu haben, um den Absatz seines Medikamentes Exjade anzukurbeln. Dieses senkt den Eisengehalt im Blut. An der Börse reagieren die Titel kaum auf Nachricht zur Klage, die Aktien gewinnen zusammen mit ebenfalls gesuchten weiteren Pharmatiteln sogar leicht an Wert.
In zwei am Mittwoch publizierten Mitteilungen kündigten der Generalstaatsanwalt von Manhattan, Preet Bharara und der Justizminister des Staates New York, Eric Schneiderman, an, sie hätten gegen Novartis geklagt. Der Konzern habe mit der Pharma-Gesellschaft BioScrip «ein System der gegenseitigen Begünstigung» unterhalten.
Das Treiben habe 2007 begonnen, in einem Moment, als die Novartis-Führung befürchtete, Patienten könnten die Einnahme von Exjade einstellen wegen möglicher gefährlicher Nebenwirkungen, liess Schneiderman verlauten. Demnach habe sich das Unternehmen mit BioScrip abgesprochen, um den Verkauf von Exjade anzukurbeln.
Angestellte von BioScrip hätten «tausende Telefonanrufe getätigt» bei Patienten, die durch das Medicaid-Programm im Staat New York gedeckt waren. Diese seien ermuntert worden, Exjade weiterhin einzunehmen. Im Gegenzug habe Novartis bei Patienten für BioScrip geworben und dem Unternehmen seine Medikamente zu tieferen Preisen verkauft.
Novartis dementiert
BioScrip liess sich auf ein Abkommen mit den Behörden ein, um einer Anklage zu entgehen. Es wird 15 Mio USD bezahlen, um Mehrkosten abzugelten, die den Gesundheitssystemen Medicaid und Medicare entstanden.
Novartis «nimmt die Anschuldigungen zur Kenntnis und weiss sich entschlossen zu verteidigen», sagte eine Sprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. «Novartis hatte mit BioScrip zusammengearbeitet, um sich die nötigen Informationen zu sichern um Patienten zu kontaktieren», bestätigte die Sprecherin. Die Gesellschaft habe danach die Patienten aber «nach ihrem eigenen Vorgehen» kontaktiert.
Spezialitäten-Apotheken wie BioScrip spielen gemäss Novartis eine wichtige und auch von den Gesundheitsbehörden anerkannte Rolle, um Patienten in der medizinischen Behandlung und der Einnahme von Medikamenten beraten zu können. Diese Form der Kundenbetreuung unterstütze die Patienten dabei, ihre Krankheit zu managen, wird André Wyss, CEO der US-Einheit Novartis Pharmaceuticals Corporation, in der Mitteilung zitiert.
Ungemach in Japan
Nach monatelangen Ermittlungen reichte auch das japanische Gesundheitsministerium Strafanzeige gegen die dortige Novartis-Tochter ein. Japan werfe dem Unternehmen Manipulation irreführende Werbung vor, die per Gesetz verboten sei, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag.
Novartis hatte bereits im September öffentlich um Entschuldigung für mutmassliche Manipulationen an Wirksamkeitsstudien für das blutdrucksenkende Medikament Diovan gebeten. Mehrere japanische Spitäler hatten aufgehört, das Mittel zu verschreiben. Diovan, dessen Patentschutz in Japan 2013 auslief, ist ein wichtiger Umsatzträger für Novartis. Rund ein Viertel der Erlöse mit dem Mittel kamen zuletzt aus Japan.
Aktien tendieren fester
An der Börse sind Novartis am Donnerstag mit leichten Abgaben in den Handel gestartet, drehten in der Folge ins Plus und gewinnen gegen 11.30 Uhr 0,4% auf 72,95 CHF zu (SMI: +0,04%). Weder die beiden Klagen in den USA und in Japan noch eine Abstufung durch den Broker Jefferies scheinen die Titel ernsthaft zu belasten.
Michael Nawrath von der ZKB hält die Anschuldigungen gegen Novartis für haltlos. «Unternehmen wie BioScrip erhalten Mengenrabatte von den Pharmaherstellern, wenn sie eine bestimmte Menge von deren Medikament verkaufen», erklärt er auf Anfrage der sda.
Es sei wahrscheinlich, dass BioScrip deren Kunden erst ein Konkurrenzprodukt empfohlen habe, aufgrund der tieferen Verkaufsmengen von Exjade dann aber keine Mengenrabatte mehr erhalten habe, sagt Nawrath. Daher habe BioScrip aus eigener Initiative wieder angefangen Exjade zu empfehlen.
«Mengenrabatte sind in der Pharmaindustrie üblich und nicht mit Schmiergeldern zu vergleichen», sagt Nawrath. Ausserdem sei Exjade kein Schlüsselprodukt von Novartis. «Das Medikament macht nur 2,7% am Umsatz der Pharmasparte von Novartis aus», so Nawrath. Wenn ein solches Produkt in den USA weniger verkauft wird, trifft das Novartis kaum.
Spekulationen um Merck-Deal
Derweil wird am Markt darüber spekuliert, dass sich Novartis in Gesprächen mit dem US-Konkurrenten Merck über einen Tausch von Geschäftssparten befinde. Das Unternehmen selbst nimmt zu diesen Spekulationen nicht Stellung. Händler gehen davon aus, dass ein solcher Spartentausch von Investoren begrüsst werden dürfte. Denn damit könne Novartis den angedachten Umbau weiter umsetzen.
Die Analysten von Jefferies haben in ihrer am Donnerstag publizierten Sektorstudie das Rating für Novartis aufgrund des limitierten Aufwärtspotenzials auf «Hold» von bislang «Buy» gesenkt. Jefferies erwartet für Novartis im neu angelaufenen Jahr 2014 einiges an Gegenwind. So dürfte in der Behandlung von Multipler Sklerose der erwartete Start von Tecfidera, ein Medikament des US-Konkurrenten Biogen Idec in Europa das Wachstum von Gilenya dämpfen und auch der umsatzstarke Blutdrucksenker Diovan und das Krebsmittel Afinitor würden sich stärker werdenden Konkurrenz gegenüber sehen. (awp/mc/upd/ps)