Peter Pilz, Abgeordneter der Grünen in Österreich (Bild: Wikipedia)
Bern – Die Bundesanwaltschaft geht der Frage nach, ob der US-Geheimdienst NSA Swisscom-Leitungen ausspioniert hat. Sie hat ein Strafverfahren eröffnet. Der Vorwurf kommt vom österreichischen Abgeordneten Peter Pilz, der sich als Enthüller einen Namen gemacht hat.
Gemäss Pilz soll der deutsche Auslandsgeheimdienst BND für die NSA Daten aus mehreren Ländern, unter anderem der Schweiz, gesammelt haben. Der BND sei jahrelang «nichts anderes als der Telekom-Staubsauger der NSA in Europa» gewesen, schreibt der Grünen-Politiker auf seiner Homepage.
Bundesanwaltschaft und Nachrichtendienst des Bundes sind aktiv
In der Schweiz laufen Untersuchungen: Die Bundesanwaltschaft hat bereits vor einiger Zeit ein Strafverfahren eröffnet, wie sie am Mittwoch der Nachrichtenagentur sda mitteilte. Es geht um Big Data und Daten der Swisscom. Auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist tätig: Man sei im ständigen Kontakt mit den betroffenen Institutionen und Firmen, teilte der NDB mit. Die Veröffentlichungen würden untersucht: «Zurzeit sind Abklärungen im Gange, um Verbindungen zu unserem Land zu prüfen.»
Liste von 255 Transitleitungen
Pilz hatte am Mittwoch in Bern Dokumente präsentiert, die seinen Vorwurf belegen sollen. Das wichtigste Dokument, auf das sich Pilz beruft, ist eine Liste von 255 Transitleitungen – also Leitungen, die durch Deutschland führen, Ursprung und Ziel aber in anderen Ländern haben. Laut Pilz hat die NSA den BND beauftragt, diese Leitungen für sie zu überwachen.
Auf der Liste aus dem Jahr 2005 figurieren neun Leitungen, die einen Endpunkt in der Schweiz haben – sieben in Zürich und zwei in Genf. Als Netzbetreiberin wird in allen neun Fällen die Swisscom angegeben. Woher Pilz die Liste hat, wollte er nicht sagen. Er habe sie aber «mehrfach verifiziert».
Fragwürdige Rolle der Deutschen Telekom
Beim Abhören geholfen haben soll die Deutsche Telekom. Pilz sagte, dies sei eindeutig beweisbar: mittels eines Vertrages zwischen dem BND und der Deutschen Telekom. Abgeleitet worden seien die Daten in Frankfurt. Von dort seien sie nach Bad Aibling weitergeleitet worden, wo die NSA direkten Zugriff auf alle Daten gehabt habe. Das Spionageprogramm hiess «Eikonal» und lief laut Pilz von 2005 bis 2008. Ob danach mit der Überwachung aufgehört wurde oder nicht, sei nicht bekannt.
Swisscom wahrscheinlich ebenfalls Opfer der Abhöraktion
Die Swisscom selbst hat keine Hinweise auf ein illegales Abhören durch internationale Geheimdienste. Das Unternehmen bezieht sich auf die Enthüllungen von Pilz, wenn es schreibt: «Gemäss aktuellen Medienberichten soll es im Jahr 2005 jedoch neun illegale Zugriffe auf Auslandsgespräche von oder zu Swisscom-Anschlüssen gegeben haben.»
Gleichzeitig weist das Unternehmen jeden Verdacht der Mitwisser- oder Mittäterschaft von sich: «Swisscom hat weder mit der NSA, noch mit dem BND oder anderen ausländischen Geheimdiensten irgendwelche Verträge, die ein Abhören von Leitungen zuliessen.» Allerdings könne man die Kommunikation nur soweit schützen, wie sie das eigene Netz in der Schweiz nicht verliessen. Auch Pilz hat keine Hinweise, dass die Swisscom etwas von den angeblichen Abhöraktionen wusste. Rein technisch sei es möglich, dass die Daten abgeleitet worden seien, ohne dass die Swisscom das bemerkt haben müsse. «Bisher muss davon ausgegangen werden, dass die Swisscom ein Opfer ist», sagte Pilz.
Grüne Nationalräte wollen eine Reihe von Fragen einreichen
Pilz tourt derzeit durch Europa, um auf seine Enthüllungen aufmerksam machen. In Bern trat er gemeinsam mit den grünen Nationalräten Regula Rytz (BE) und Balthasar Glättli (ZH) auf. Glättli kündigte an, in der nächsten Session eine ganze Reihe von Fragen einzureichen, um mehr über die Sache in Erfahrung zu bringen.
Und Rytz fragte: «Wurden hier Sicherheitsinteressen als Persilschein für Grundrechtsverletzungen missbraucht?» Pilz zufolge ist klar, dass nicht nur Terrorverdächtige ausspioniert wurden. Er schätzt, dass Daten über rund 1,5 Millionen Menschen gesammelt worden sind. «So viele Terrorverdächtige gibt es gar nicht», sagte er. (awp/mc/hfu)