Bern – Grosse internationale Konzerne müssen ab Anfang 2024 in der Schweiz eine Mindeststeuer von 15 Prozent entrichten. Volk und Stände haben der Umsetzung der weltweiten OECD-Reform deutlich zugestimmt – mit knapp 79 Prozent. Die Linke verlor für einmal eine Steuervorlage.
Die von der SP, der Entwicklungshilfe-Organisation Alliance Sud und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) bekämpfte Verfassungsänderung wurde sehr deutlich angenommen. Sie ist Voraussetzung für die Umsetzung der Steuerreform.
Gemäss den Endresultaten aus den Kantonen stimmte eine Mehrheit von 78,5 Prozent für die Vorlage. In absoluten Zahlen waren rund 1’803’200 Stimmende dafür und 495’300 dagegen. Die Stimmbeteiligung lag bei 41,8 Prozent.
Alle Kantone befürworteten wie das Parlament und der Bundesrat die Steuerreform. Der Blick auf die Abstimmungskarte zeigt eine seltene Eintracht. Selbst der Kanton Uri mit dem schweizweit tiefsten Ja-Stimmen-Anteil nahm das OECD-Steuerprojekt mit 72,8 Prozent an. Im Kanton Waadt wurde die Vorlage mit 85,7 Prozent am deutlichsten angenommen. Schweizweit wurde die Reform nur in einer einzigen Gemeinde abgelehnt – nämlich im Oberwalliser Dorf Randa. Dort stand auf 68 von 106 gültigen Stimmzetteln ein Nein, was einem Anteil von gut 64 Prozent entspricht.
Das Ja kommt nicht überraschend. Die letzten Umfragen zeigten eine Mehrheit für die Verfassungsänderung. Eine so deutliche Annahme einer Vorlage ist laut Politologen dennoch sehr selten. In den vergangenen zehn Jahren gab es nur drei Vorlagen mit einem höheren Ja-Stimmen-Anteil – im März 2019 der Verfassungsartikel über die neue Finanzordnung mit 84,1 Prozent, im September 2017 der Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit mit 78,7 Prozent und im Mai 2014 der Verfassungsartikel zur medizinischen Grundversorgung mit 88,1 Prozent.
Nein-Argumente verfingen nicht
Die SP schaffte es im Gegensatz zu vielen anderen Steuervorlagen nicht, eine Mehrheit von den Nachteilen der Vorlage zu überzeugen. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass der Kerngedanke der Reform – nämlich höhere Steuern für Grosskonzerne – einem linken Anliegen entspricht. Die Gegner störten sich lediglich an der Umsetzung. Die Argumente, wonach die Reform hauptsächlich den finanzstarken Kantonen zugutekäme und die Ungleichheit unter den Kantonen so verstärkt würde, waren schwierig zu vermitteln.
Zudem trat die Linke im Gegensatz zu anderen Steuer-Referenden nicht geeint auf. Die Grünen hatten im Vorfeld der Abstimmung Stimmfreigabe beschlossen.
Hinter die Vorlage stellten sich Bundesrat, die Mehrheit des Parlaments, die Wirtschaftsverbände, die Kantone sowie auch die Städte und die Gemeinden. Sie sind die klaren Gewinner der Abstimmung, obwohl viele Bürgerliche die Reform nicht von sich aus initiiert hätten. Nur mit einer raschen Umsetzung des OECD-Projekts könne aber verhindert werden, dass Milliarden-Steuereinnahmen ins Ausland flössen, argumentierten sie.
Milliarden an Mehreinnahmen erwartet
Im Zentrum der OECD/G20-Steuerreform steht eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro im Jahr. Von der Reform betroffen sind gemäss Schätzungen des Bundes wenige hundert inländische sowie wenige tausend ausländische Unternehmensgruppen, nicht aber KMU.
Konzerne, deren Gewinn heute in den Kantonen tiefer besteuert wird, sollen eine Ergänzungssteuer abliefern. Dafür braucht es in der Schweiz eine Verfassungsänderung. Gestützt darauf will der Bundesrat die Mindestbesteuerung ab 2024 zunächst mit einer Verordnung und danach mit einem Gesetz umsetzen.
Der Bund schätzt die Mehreinnahmen im ersten Jahr nach der Umsetzung auf rund eine bis 2,5 Milliarden Franken. Wie es danach weitergeht, hängt von der Reaktion der multinationalen Unternehmen ab. Was die Ergänzungssteuer einbringt, geht zu 75 Prozent an die Kantone und zu 25 Prozent an den Bund. Die Kantone können selbst entscheiden, wie sie die Mittel einsetzen wollen, müssen aber Städte und Gemeinden angemessen berücksichtigen.
Im Gleichschritt mit der EU
Die Mehreinnahmen sollen gemäss Vorlage auch zur Förderung der in der Schweiz tätigen internationalen Unternehmen eingesetzt werden, um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen zu sichern. Das Geld soll also indirekt wieder in die Unternehmen zurückfliessen.
Gerade in Krisenzeiten sei es wichtig, Stabilität und Rechtssicherheit zu garantieren, machten die Befürworter geltend. Aus Sicht des Bundesrats ist ein gleichzeitiges Inkrafttreten der Mindestbesteuerung namentlich mit der EU anzustreben. (awp/mc/pg)