OECD-Mindeststeuer: Die Einnahmen im Jahr 1 dürften deutlich unter den Erwartungen liegen

Thomas Hug

Thomas Hug, Partner Tax & Legal bei Deloitte Schweiz. (Foto: Deloitte)

Zürich – Aller Voraussicht nach wird die Schweiz für das Jahr 2024 deutlich weniger Einnahmen aus der OECD-Mindeststeuer erhalten als erwartet. Eine erstmalige, von Deloitte durchgeführte Analyse der 50 grössten börsenkotierten Konzerne des Landes zeigt auf, dass viele Unternehmen – auch dank Übergangsregeln – keine Ergänzungssteuern zahlen müssen.

Insgesamt werden die untersuchten Konzerne über CHF 243 Millionen OECD-Mindeststeuern zahlen; ein Teil davon wird jedoch ins Ausland fliessen. Besonders überraschend: Über drei Viertel dieser Zusatzsteuern stammen von einem einzigen Konzern. In den kommenden Jahren könnten die Einnahmen jedoch steigen.

Die OECD-Mindeststeuer stellt sicher, dass grosse, international tätige Konzerne mit einem Jahresumsatz von mindestens EUR 750 Millionen pro Land mindestens 15 Prozent effektive Steuern auf ihren Gewinn zahlen. Ziel ist es, die Steuervermeidung durch Gewinnverlagerung zu reduzieren und den Trend hin zu weiteren Steuersenkungen zu unterbinden. In der Schweiz wurden die Ergänzungssteuern nach der Volksabstimmung 2023 eingeführt – sie werden seit dem 1. Januar 2024 erhoben. Der Bundesrat schätzte die in den ersten Jahren zu erwartenden zusätzlichen Steuereinnahmen auf CHF 1 bis 2,5 Milliarden pro Jahr.

Wer die Ergänzungssteuern zahlt
Die «OECD Minimum Tax Impact Study» des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte hat die 50 grössten in den Börsenindizes SMI und SMIM vertretenen Konzerne untersucht. Die Studie zeigt auf, dass mindestens 15 Konzerne von der Zusatzsteuer betroffen sind. Insgesamt werden von diesen Unternehmen voraussichtlich CHF 243,2 Millionen Ergänzungssteuern im Rahmen der OECD-Mindeststeuer gezahlt.

Die Belastung ist jedoch sehr ungleich verteilt: Ein einziger Konzern trägt über drei Viertel der gesamten Ergänzungssteuern. Nur wenige Konzerne haben offengelegt, wie viele Ergänzungssteuern in welchem Land von ihnen geschuldet sind. Nach Schätzungen von Deloitte landen weniger als CHF 200 Millionen der Steuersumme aus der OECD-Mindeststeuer der untersuchten Unternehmen aus dem Jahr 2024 letztlich in der Schweiz.

Steuereinnahmen liegen deutlich unter den Erwartungen
«Basierend auf unserer Analyse der 50 grössten börsenkotierten Konzerne sowie weiteren Schätzungen und Erfahrungswerten gehen wir davon aus, dass für das Jahr 2024 aller Voraussicht nach deutlich weniger als die ursprünglich erwartete Summe aus der OECD-Mindeststeuer an den Schweizer Fiskus fliessen wird», erläutert Thomas Hug, Partner Tax & Legal bei Deloitte Schweiz.

Der allergrösste Teil der Ergänzungssteuern aller von Deloitte untersuchten Unternehmen werden von Unternehmen aus der Pharma-, Finanz- und Medizintechnikbranche bezahlt. Andere Branchen sind kaum betroffen, die finanziellen Auswirkungen der OECD-Mindeststeuer sind minimal.

Steuerbelastung steigt nur geringfügig
Die Ergänzungssteuern wirken sich bislang nur begrenzt auf die effektive Steuerlast der 15 betroffenen Konzerne aus. Nur bei einem einzigen Unternehmen stieg die effektive Steuerbelastung um mehr als zwei Prozentpunkte. Bei den anderen fielen die zusätzlichen Steuern gering aus. «Die bisherigen Zahlen zeigen, dass die OECD-Mindeststeuer in der Schweiz vorderhand nur wenige Konzerne betrifft und für die wenigsten eine signifikante Steuermehrbelastung bedeutet», führt Thomas Hug aus.

Ein zentraler Faktor für die geringe Betroffenheit und die niedrigen Steuererträge sind die Übergangsregeln («Safe-Harbour-Regeln»), welche die OECD vorsieht. Diese haben zur Folge, dass die Konzerne – wenn sie gewisse Voraussetzungen erfüllen – keine Ergänzungssteuern zahlen müssen. Die OECD hat diese Regeln für die Einführungsphase geschaffen, um Unternehmen und Steuerbehörden die Anpassung an das neue System zu erleichtern. Sie gelten voraussichtlich bis Ende 2026.

Anstieg in den kommenden Jahren möglich
«Die Ergänzungssteuern sind zum jetzigen Zeitpunkt nur für eine kleine Gruppe von kotierten Konzernen relevant. Viele profitieren von den Übergangsregeln. Doch diese Regeln sind nicht von Dauer, und nach 2026 könnte sich das Bild ändern. Ob die Einnahmen aus den Ergänzungssteuern in den kommenden Jahren steigen werden, hängt auch davon ab, ob weitere Länder die OECD-Mindeststeuer einführen werden», ergänzt Thomas Hug.

Zudem wird die Schweiz ab 2025 auch bei ausländischen Tochtergesellschaften von Schweizer Konzernen, die in ihrem Heimatland keine Ergänzungssteuern bezahlen, weil das betreffende Land nicht bei der OECD-Mindeststeuer mitmacht, Ergänzungssteuern erheben können. Dies könnte zu höheren Steuereinnahmen führen.

Keine Daten zu privaten Unternehmen und ausländischen Konzerntöchtern
Die Studie von Deloitte analysiert börsenkotierte Schweizer Konzerne aus den Aktienindizes SMI und SMIM, die zusammen 50 Konzerne umfassen. Aus dem SMI konnten 17 von insgesamt 20 Konzernen analysiert werden, aus dem SMIM 26 von 30. Wenige Konzerne konnten nicht analysiert werden, da ihr Geschäftsjahr nicht mit dem Kalenderjahr 2024 übereinstimmt. Zwei Konzerne aus dem SMIM sind von der Mindeststeuer nicht betroffen, weil sie keine internationale Präsenz haben.

Zudem sind viele grosse privat gehaltene Unternehmen sowie Schweizer Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen nicht erfasst, obwohl auch sie unter die OECD-Mindeststeuer fallen könnten. Privat gehaltene Unternehmen müssen ihre Steuerzahlungen nicht offenlegen, und auch für Tochtergesellschaften von ausländischen Konzernen sind keine Daten öffentlich zugänglich. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass manche dieser Tochtergesellschaften Ergänzungssteuern in der Schweiz zahlen werden.

Einnahmen weit unter den Schätzungen
Basierend auf Angaben des Bundes, früheren Schätzungen und bisherigen Erkenntnissen ist anzunehmen, dass die Ergänzungssteuerzahlungen der nicht untersuchten Konzerne die Gesamtsteuersumme erhöhen werden. Erste summarische Rückmeldungen aus kantonalen Steuerverwaltungen lassen jedoch vermuten, dass auch diese Beiträge insgesamt eher gering ausfallen könnten.

«Über alles gesehen dürften die für 2024 realisierten Einnahmen aus den Ergänzungssteuern weit unter den ursprünglichen Schätzungen des Bundes liegen», schliesst Thomas Hug.

Über die «OECD Minimum Tax Impact Study»
Die Analyse basiert auf einer Auswertung der verfügbaren Finanzberichte der 50 grössten börsenkotierten Konzerne in der Schweiz für das Finanzjahr 2024. Sie untersucht, ob und in welchem Umfang diese Konzerne Ergänzungssteuern zahlen, aber auch welche Faktoren dazu führen, dass Konzerne keine Ergänzungssteuern zahlen müssen. Die Untersuchung ist eine Momentaufnahme und deckt nicht alle Konzerne ab, die unter die OECD-Mindeststeuer fallen – insbesondere nicht kotierte Unternehmen sowie Schweizer Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne. Die tatsächliche Steuerlast hängt zudem auch von den internen Berechnungen der jeweiligen Konzerne ab. (Deloitte/mc)

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