OECD rechnet mit schwächerem Wachstum der Schweizer Wirtschaft
Paris – Die OECD rechnet mit einem mässigen Wachstum der Schweizer Wirtschaft. Gebremst wird das Wachstum durch die Exportbranche, die unter dem Handelsstreit leidet. Die Organisation ruft zu internationaler Zusammenarbeit auf.
Das Schweizer Bruttoinlandprodukt dürfte 2019 um 1,0 Prozent zulegen, im nächsten Jahr um 1,5 Prozent. Damit schlägt die Schweizer Wirtschaft nach einer deutlichen Abschwächung in der zweiten Jahreshälfte 2018 ein moderateres Tempo an.
2018 ist die Schweizer Wirtschaft gemäss Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) noch um 2,5 Prozent gewachsen.
Allein die erneuten Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China könnten das globale Wachstum über zwei bis drei Jahre um mehr als 0,6 Prozent schmälern, warnte OECD-Chefökonomin Laurence Boone am Dienstag. «Die Aussichten sind weiterhin trübe».
Noch rechnet die Organisation aber mit einer Erholung des Welthandels im Jahr 2020. Das werde dann auch die Exporte und Investitionen in der Schweiz wieder beleben. Der private Konsum werde sich unter dem Einfluss einer leicht sinkenden Arbeitslosigkeit und wieder steigenden Löhnen ebenfalls erholen.
Tiefstes Wachstum seit 30 Jahren
Die OECD senkte infolge des Handelsstreits ihre Prognose für das weltweite Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf unterdurchschnittliche 3,2 (bisher 3,3) Prozent, nachdem es 2018 noch zu 3,5 Prozent gereicht hatte. Für das kommende Jahr werden unverändert 3,4 Prozent vorausgesagt.
Das wären die tiefsten Wachstumsraten der letzten 30 Jahre. «Sollten Abwärtsrisiken eintreten oder sich gegenseitig verstärken, könnte das Wachstum deutlich schwächer ausfallen als hier unterstellt», warnte Boone.
Zu den grössten Risiken zählten längerfristig höhere Handelszölle zwischen den Vereinigten Staaten und China, zusätzliche Zölle auf den Handel zwischen den USA und der EU sowie eine stärkere Konjunkturabkühlung in China. Ungewissheit über den Brexit sowie finanzielle Risiken wegen der hohen Verschuldung und einer sich verschlechternden Kreditqualität könnten das Wachstum ebenfalls dämpfen.
Für die weltgrösste Volkswirtschaft USA erhöhte die OECD gegen den Trend ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 2,8 (bisher 2,6) Prozent und für 2020 auf 2,3 (2,2) Prozent. Für die Nummer zwei China wurde die Prognosen bei 6,2 beziehungsweise 6,0 Prozent belassen.
Deutschland als wichtigster Handelspartner der Schweiz dürfte in diesem Jahr um 0,7 Prozent und im kommenden Jahr um 1,2 Prozent wachsen.
Löhne hinken hinterher
Die Arbeitslosigkeit liegt hingegen auf dem tiefsten Stand seit fast vier Jahrzehnten. Doch seit der Finanzkrise wachsen die Reallöhne weniger schnell. Daher habe ein mittlerer Haushalt in den meisten grossen Industrieländern heute real weniger Einkommen zur Verfügung, als noch vor der Krise.
Die Arbeitslosigkeit soll bis 2020 in den 36 OECD-Mitgliedsländern auf 5,2 Prozent fallen. 2017 lag sie noch bei knapp sechs Prozent. Für die Schweiz rechnet die Organisation mit einer Arbeitslosenquote (gemäss ILO) von 4,7 Prozent für dieses Jahr und 4,5 Prozent im Jahr 2020.
«Das Wachstum dürfte unterdurchschnittlich bleiben, da die Handelsspannungen anhalten und gleichzeitig zur Kluft zwischen den Menschen beitragen», warnte OECD-Chefökonomin Boone. «Die Regierungen können und müssen gemeinsam handeln, um ein nachhaltiges Wachstum wiederherzustellen, das allen zugutekommt.»
Ratschläge an die Schweiz
Wie immer erteilt die OECD ihren Mitgliedsländern auch diverse Ratschläge. Als Herausforderung für die Schweiz ortet die Organisation etwa den verschärften Fachkräftemangel – insbesondere in den Berufen Technik, Naturwissenschaften und Informationstechnologie.
Mittelfristig könnte laut OECD Abhilfe geschaffen werden, indem mehr Frauen ermutigt werden, die genannten Fächer zu studieren. Kurzfristig würden höhere Kontingente für Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten helfen.
Und die OECD regt die öffentliche Hand an, ihre ohnehin vergleichsweise tiefen Investitionsausgaben zu erhöhen. Um die Umsetzung der AHV-Steuervorlage (Staf) zu flankieren, seien zudem höhere Mehrwertsteuern und – auch zu Gunsten der Umwelt – steigende Lenkungsabgaben angebracht. (awp/mc/ps)