OECD sieht Reformbedarf in der Altersvorsorge und im Binnenmarkt

OECD-Generalsekretär Mathias Cormann. (© OECD)

Bern – Die OECD stellt der Schweiz ein gutes Zeugnis für die Krisenbewältigung aus. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat sie nach Einschätzung der Industrieländerorganisation angemessen und effektiv reagiert. Einen grossen Reformbedarf sieht die OECD hingegen in der Altersvorsorge.

Die Schweizer Wirtschaft habe sich in der Corona-Pandemie als relativ widerstandsfähig erwiesen, erklärte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag in ihrem neuesten Länderbericht zur Schweiz. Global wettbewerbsfähige Unternehmen, hochqualifizierte Arbeitskräfte und eine geringe Abhängigkeit vom Gastgewerbe und der Unterhaltungsbranche hätten die negativen Auswirkungen der Pandemiebekämpfungsmassnahmen gemildert.

Die Behörden hätten auch rasch grosszügige Unterstützung gewährt, um Einkommen und Liquidität aufrechtzuerhalten, während das hohe Vertrauen in die Regierung und das hocheffiziente Gesundheitssystem weniger strenge Abriegelungen ermöglicht hätten.

Kurzarbeitsregime wieder zurückfahren
Die Ausweitung der Kurzarbeitergeldregelung während der Pandemie habe zudem viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch Unternehmen geschützt, so die OECD weiter. Sie rät gleichzeitig, das Kurzarbeitsregime wieder zurückzufahren, sobald die meisten Pandemiebeschränkungen aufgehoben sind. Die fiskalische Unterstützung solle auf die am stärksten betroffenen und gefährdeten Sektoren beschränkt werden. Denn während einer Erholungsphase mache das Instrument den Arbeitsmarkt unflexibel.

Zudem sei die Haushaltspolitik der Schweiz solide und die Verschuldung niedrig, hält die Organisation fest. Der fiskalische Spielraum könnte daher stärker genutzt werden.

Rentenreform «überfällig»
Grösseren Reformbedarf sieht die Organisation hingegen in der Altersvorsorge. «Eine grundlegende Rentenreform ist überfällig», schreibt sie im Bericht. Die Bevölkerungsalterung führe zu fiskalischem Druck, da die Einnahmen sänken und die altersbedingten Kosten (Renten, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege) unter Druck gerieten; zudem wirke sich negativ auf Beschäftigung und Wachstum aus.

Bei der derzeitigen Politik werde das Verhältnis zwischen Rentnern und Arbeitnehmern in die Höhe schnellen, warnt die OECD entsprechend. Um mehr Personen in den Arbeitsmarkt zu locken, empfiehlt die OECD etwa den Ausbau des Kinderbetreuungsangebots sowie den Übergang von der Familien- zur Individualbesteuerung. Der Bericht regt zudem an, zu einem Elternzeitsystem überzugehen.

Defizite sieht die OECD auch im Binnenmarkt. Hier bestünden nach wie vor Hindernisse für einen freien und offenen Wettbewerb. So werde der Wettbewerb auf dem heimischen Markt nach wie vor über die Kantonsgrenzen hinweg behindert. Der Verwaltungsaufwand für Neugründungen sei zudem höher als bei OECD-Spitzenreitern, und die Beilegung von Handelsstreitigkeiten nehme viel Zeit in Anspruch. Und das staatliche Engagement in der Wirtschaft, vor allem in den netzgebundenen Sektoren, und die vorteilhafte Stellung zahlreicher staatlicher Unternehmen schränkten den Wettbewerb ein.

Finanzsektor im Visier
Was die Umwelt betrifft, nimmt die OECD auch den Finanzsektor ins Visier. Dieser sei immer noch stark in die Öl- und Kohleförderung investiert und weit weniger in erneuerbare Energie oder Elektromobilität. Die OECD empfiehlt noch mehr Transparenz in Bezug auf die Klimaverträglichkeit von Finanzportfolios.

Das vom Stimmvolk abgelehnte CO2-Gesetz wäre nach Ansicht der Organisation ein «wichtiger Meilensteine» auf dem Weg zu Netto-Null bei den Treibhausgasemissionen bis 2050 gewesen. Trotzdem legt die OECD der Schweiz nahe, für möglichst viele CO2-Emissionen einen Preis zu erheben und diese zu erhöhen. Heute lägen die Preise für CO2-Emissionen noch immer unter dem, was ihren Klimakosten entsprechen würde.

Auch die Eigenkapitalausstattung könnte zum Teil besser sein, heisst es. Für die OECD haben die angemessenen Eigenkapital- und Liquiditätspuffer des Schweizer Finanzsystems zur Stabilität beigetragen, aber gewisse Institute liegen Gefahr, dass ihr Eigenkapital im Falle eines negativen Schocks aufgebraucht werde. Auch die Ungleichgewichte auf Immobilienmarkt werden in diesem Zusammenhang erwähnt. (awp/mc/ps)

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