Zürich – Orell Füssli feiert in diesem Jahr sein 500-jähriges Bestehen. Auch in jüngster Zeit war die Firmengeschichte äusserst bewegt.
Orell Füssli ist ein Unikat. Mit der stolzen Geschichte von einem halben Jahrtausend auf dem Buckel ist es das älteste an der Schweizer Börse kotierte Unternehmen. «Die lange Tradition ist für uns eine grosse Verpflichtung, für die Zukunft des Unternehmens zu arbeiten», sagte CEO Martin Buyle an der Auftaktsveranstaltung für das Jubiläumsjahr am Montag in Zürich. Neben den zahlreichen Jubiläumsaktivitäten ist die Gruppe gefordert, im laufenden Jahr eine zukunftsfähige Strategie zu entwerfen.
Verlagsgeschäft und Buchhandel unter Druck
Anfang Dezember 2018 hatte Orell Füssli eine umfassende Überprüfung seiner Strategie angekündigt. Gleichzeitig ist die Gruppe seither auf der Suche nach einem Nachfolger für Martin Buyle, der das Unternehmen per Ende September 2019 «aus persönlichen Gründen» verlassen wird. Buyle hatte das Amt 2014 angetreten.
Nicht zum ersten Mal steckt das Traditionsunternehmen damit in einer Umbruchsphase. Der Buchhandel und das Verlagsgeschäft sind bereits seit längerem unter Druck. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem durch den Internethandel intensivierten Preiskampf schrumpfte der Umsatz im Buchhandel in den letzten 10 Jahren um fast 20 Prozent auf noch 92 Millionen Franken im Jahr 2017. Der Betriebsgewinn von 1,6 Millionen im Geschäftsjahr 2017 zeigt zudem auf, mit welch tiefen Margen in diesem Bereich operiert wird.
Auch das im Jahr 2013 gegründete Joint-Venture mit Thalia, an dem die beiden Parteien zu je 50 Prozent beteiligt sind, konnte den Umsatzschwund nicht stoppen. In der laufenden Strategieüberprüfung steht ein Verkauf des Buchhandels- oder des Verlagsgeschäfts allerdings nicht zur Debatte. «Das Buch gehört zur DNA unserer Gruppe», bekräftigte VR-Präsident Anton Bleikolm im Dezember frühere Aussagen.
Diversifikation gescheitert
Der Versuch zur Diversifikation der Geschäfte war in diesem Jahrtausend bislang jedoch noch nicht von Erfolg gekrönt. Im Jahr 2002 hatte die Gruppe das Geschäft zur Produktion von Plastikkarten verkauft. Schrittweise wurde dafür der deutsche Anlagenbauer Atlantic Zeiser übernommen. Das damalige Management setzte unter anderem grosse Hoffnungen in den Vertrieb von «Track&Trace»-Lösungen für die Pharmaindustrie.
Die neuen Bereiche ausserhalb des Kerngeschäfts konnten die Erwartungen aber nicht erfüllen. Im vergangenen Jahr stiess Orell Füssli mit Ausnahme des kleinen Bereichs «Banknotenserialisierung» sämtliche Aktivitäten von Atlantic Zeiser wieder ab. Infolge des Verkaufs wird die Jahresrechnung für das Jahr 2018 durch Wertberichtigungen in Höhe von insgesamt 67 Millionen Franken belastet, teilte die Gruppe damals mit.
Sicherheitsdruck profitiert von SNB
In guter Verfassung präsentiert sich derzeit dafür der Sicherheitsdruck. Auch dieser mittlerweile umsatzstärkste Geschäftszweig blickt auf eine lange Geschichte zurück. So stellt Orell Füssli seit Beginn des 20. Jahrhunderts Banknoten für die Schweizerische Nationalbank SNB her. Seit 2016 läuft die Produktion der neunten Banknotenserie auf Hochtouren. Dank diesem lukrativen Auftrag ist es Orell Füssli gelungen, den Umsatzschwund im Buchhandel zu kompensieren.
Aber auch in dieser Sparte lief in jüngster Vergangenheit nicht immer alles nach Wunsch. Die Produktion der neuen Banknotenserie konnte aufgrund technischer Schwierigkeiten und Pannen erst mit mehrjähriger Verspätung aufgenommen werden. Grosse Wellen warf 2013 der Diebstahl von 1’800 fast fertigen 1000er Noten. Diese waren während dem Produktionsprozess entwendet worden, was das Image von Orell Füssli ankratzte.
Mit der neuen Banknoten-Serie für die SNB hat Orell Füssli laut CEO Martin Buyle «den Weltstandard punkto Design und Sicherheit» gesetzt. Um dies potenziellen weiteren Kunden zu veranschaulichen, wird im laufenden Jahr eine eigens konzipierte «Jubiläumsbanknote» herausgegeben. Das Unternehmen erhofft sich davon auch die Erweiterung des Kundenkreises. Neben der Schweiz lassen auch andere Länder ihre Noten bei Orell Füssli drucken; aus Diskretionsgründen wird auf die namentliche Nennung dieser Länder aber verzichtet.
Unmut bei einigen Minderheitsaktionären
Die Aktien der Orell Füssli AG wurden bereits am Ende des 19. Jahrhunderts an der Zürcher Börse kotiert. Derzeit werden die wenig liquiden Titel an der Schweizer Börse SIX gehandelt. Mit einem Anteil von 33,4 Prozent ist die Schweizerische Nationalbank der grösste Aktionär der Gruppe. Die dominante Stellung der SNB hatte im vergangenen Jahr für Unmut bei anderen Minderheitsaktionären gesorgt.
So beklagte sich die Investorengruppe Veraison, die jüngsten Angaben zufolge einen Anteil von knapp 10 Prozent an Orell Füssli hält, dass die Interessen des Hauptaktionärs und diejenigen der Minderheitsaktionäre verschieden seien. Mit dem Kauf des Papierherstellers Landqart habe sich diese Situation noch verschärfte, führte Veraison-Mitgründer Gregor Greber vor den Medien aus. Die SNB hatte im Dezember 2017 einen Anteil von 90 Prozent und Orell Füssli die restlichen 10 Prozent an dem mit Liquiditätsschwierigkeiten kämpfenden Unternehmen übernommen.
«Nun ist die SNB gleichzeitig Hauptaktionär, Kunde und Zulieferer der Sparte Sicherheitsdruck bei Orell Füssli», sagte Greber weiter. Um die «Kapitalmarktfähigkeit» zu stärken, müssten die Statuten angepasst und die Gleichbehandlung aller Aktionäre gewährleistet werden. An der Generalversammlung wurde ein entsprechendes Traktandierungsbegehren von Veraison auf Antrag des Verwaltungsrats wenig überraschend versenkt.
Dieter Meier als prominenter Aktionär
Mit der speziellen Stellung der SNB im Aktionariat gut leben, kann der Unternehmer und Künstler Dieter Meier. Mit einem Anteil von gut 15 Prozent ist dieser seit vielen Jahren hinter der SNB der zweitgrösste Aktionär bei Orell Füssli. In einem Interview mit der Zeitschrift Bilanz aus dem Jahr 2012 sagte Meier, dass er die Aktien von Orell Füssli zusammen mit jenen der Zermatter Bergbahnen BVZ von seinem Vater erhalten habe.
Sein Vater habe diese Anteile vor Jahrzehnten als sogenannte «Grossmutteraktien» gekauft, die immer eine vernünftige Dividende abwerfen, so Meier im besagten Interview. «Er fand, solange es das Matterhorn und die Schweizerische Nationalbank gebe, könne diesen Firmen eigentlich nichts passieren.» (awp/mc/pg)