Parlament erhöht Franchisen der Krankenversicherung

Parlament erhöht Franchisen der Krankenversicherung
(Foto: 18percentgrey - Fotolia.com)

Bern – Kranke müssen sich künftig stärker als bisher an den Kosten beteiligen. Das Parlament will insbesondere die tiefste Franchise von 300 CHF regelmässig nach oben anpassen – je nach Kostenentwicklung in der Krankenversicherung.

Der Nationalrat hat am Donnerstag als Zweitrat eine entsprechende Motion gutgeheissen, mit 129 zu 54 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Der Bundesrat wird somit beauftragt, das Krankenversicherungsgesetz anzupassen.

Im Visier hat das Parlament vor allem die tiefste Franchise von heute 300 CHF, die sogenannte Standardfranchise. Eine Erhöhung führe dazu, dass Versicherte in Bagatellfällen mit einem Arztbesuch eher zuwarten und weniger häufig unnötige medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, zeigte sich eine Ratsmehrheit überzeugt. «Wer sich in einem höheren Umfang an den Kosten beteiligen muss, überlegt es sich eher, ob der Gang zum Arzt nötig ist, oder ob bei einer Bagatelle auch Abwarten und Teetrinken eine Möglichkeit wäre», sagte Kommissionssprecherin Regine Sauter (FDP/ZH).

Auf diese Weise könne das Kostenwachstum in der obligatorischen Krankenversicherung gebremst werden, zeigte sich eine Ratsmehrheit überzeugt. Jeder Beitrag zur Dämpfung des Kostenwachstums sei zu begrüssen und rasch umzusetzen. «Damit die Krankenkassenprämien bezahlbar bleiben, müssen wir die Eigenverantwortung stärken», sagte Kommissionssprecher Raymond Clottu (SVP/NE).

Zweifel an Wirksamkeit
Eine Minderheit zweifelte daran, dass höhere Franchisen zu mehr Eigenverantwortung führten – und lehnte den Vorstoss ab. Stattdessen würden niedrige und mittlere Einkommen stärker belastet. Es sei verheerend, wenn Menschen aus Kostengründe auf einen Arztbesuch verzichteten, sagte Barbara Gysi (SP/SG). Zudem sei die Eigenbeteiligung der Versicherten an den Gesundheitskosten im europäischen Vergleich bereits am höchsten.

Auch der Bundesrat hat sich gegen die neue Regelung ausgesprochen. Die Regierung sei ebenfalls für mehr Eigenverantwortung, betonte Gesundheitsminister Alain Berset. Aber der Vorschlag der Motion bringe nichts. Denn schon heute überprüfe der Bundesrat die Franchise regelmässig. Seit 1996 habe sich die tiefste Franchise mehr als verdoppelt.

Systemwechsel in Planung
Das Franchisen-System wird die Politik auch nach dem Entscheid vom Donnerstag noch weiter beschäftigen. Der Nationalrat hat gleichentags als Erstrat einer weiteren Motion zugestimmt, die mehr unternehmerische Freiheit bei der Festlegung der Franchisen verlangt. Die Motion verlangt, dass die Wahlmöglichkeiten für Versicherte erhöht werden und die Krankenkassen mehr Versicherungsmodelle anbieten dürfen.

Einen weiteren Vorschlag haben die Gesundheitskommissionen von National- und Ständerat ins Spiel gebracht: Kurzfristige Änderungen der Franchise sollen nur noch eingeschränkt möglich sein.

Wer sich für eine hohe Krankenkassen-Franchise, ein Hausarzt- oder HMO-Modell entscheidet, soll künftig mindestens drei Jahre dabei bleiben müssen. Damit wollen die Kommissionen vor allem verhindern, dass Versicherte zur tiefsten Franchise wechseln, wenn sich höhere Krankheitskosten abzeichnen.

Abklärungen laufen
Der Bundesrat seinerseits wollte einen Teil der Wahlfranchisen streichen und die Prämienrabatte für hohe Franchisen senken. Nach Kritik der Krankenkassen legte er aber das Vorhaben auf Eis.

Nun laufen zusätzliche Abklärungen. So soll etwa der Zusammenhang zwischen gewählter Franchise und in Anspruch genommenen medizinischen Leistungen ermittelt werden. Zudem soll der Bericht aufzeigen, welche Gründe zum Wechsel der Franchise führen. Die Ergebnisse sollen 2017 vorliegen. (awp/mc/ps)

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