Parlament will Prämienanstieg mit Kostenzielen bremsen
Bern – Das Bundesparlament stellt der Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei einen indirekten Gegenvorschlag entgegen. Es will Kosten- und Qualitätsziele im Gesundheitswesen gesetzlich festschreiben – als Massnahme gegen den Prämienanstieg. Als Zweitrat hat sich am Dienstag der Ständerat für eine entsprechende Vorlage ausgesprochen.
Die kleine Kammer votierte mit 23 zu 17 Stimmen ohne Enthaltungen für eine Reihe von Änderungen im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG). Der Nationalrat hatte schon im Juni 2022 für den indirekten Gegenvorschlag gestimmt. Weil der Ständerat mehrere Differenzen schuf, geht das Geschäft zurück an die grosse Kammer.
Konkrete Folgen unklar
Gemäss dem Entwurf soll der Bundesrat künftig nach Anhörung aller Akteure im Gesundheitswesen Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen für die darauffolgenden vier Jahre festlegen. Jeder Kanton kann sich daran orientieren und ebenfalls Kosten- und Qualitätsziele für die darauffolgenden vier Jahre festlegen.
Vorgaben, was passieren soll, wenn Ziele nicht erreicht werden, enthält die Vorlage nicht. Der Nationalrat hatte im Sommer entsprechende Bestimmungen gestrichen.
Mit dem Entscheid vom Dienstag setzten sich auch im Ständerat Mitte, SP und Grüne durch. FDP und SVP wandten erfolglos ein, Patientinnen und Patienten könnten unter den Kostenvorgaben leiden, denn diese gefährdeten die Versorgung.
Die Befürworterseite im Rat und Gesundheitsminister Alain Berset bestritten dies. Es sei kein Automatismus vorgesehen, wonach Behandlungen nicht mehr durchgeführt werden dürften, sobald ein Kostenziel überschritten sei.
Anträge einer Minderheit der vorberatenden Kommission, auf die Kostenziele zu verzichten, scheiterten ebenso wie ein Nichteintretensantrag.
Heute fehle eine Gesamtschau, in welchen Bereichen wie viel Wachstum angemessen sei, sagte Erich Ettlin (Mitte/OW) namens der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S). Letztlich gehe es darum, bei der Kostenentwicklung etwas mehr Transparenz zu schaffen, sagte Berset.
Gegnerseite warnt vor «Planwirtschaft»
Der Gegenvorschlag sei überladen, kritisierte dagegen Hannes Germann (SVP/SH) namens der Kommissionsminderheit. Er ortete eine «geradezu planwirtschaftlich anmutendende Kostensteuerung», die dem bestehenden System übergestülpt werde.
Germann sagte zudem, die Vorlage stehe im Widerspruch zu den schon verabschiedeten Paketen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Zudem möchte er es nicht rechtfertigen müssen, wenn der Zugang zu medizinischen Leistungen für bestimmte Gruppen eingeschränkt würde.
Damian Mülller (FDP/LU) war der Ansicht, die Kostenziele hätten nur deklaratorischen Charakter.
Das Thema brenne der Bevölkerung unter den Nägeln, wandte dagegen Peter Hegglin (Mitte/ZG) ein. Dennoch würden griffige Massnahmen zur Kostendämpfung häufig bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Man müsse davon ausgehen, dass die Krankenkassenprämien weiter anstiegen. Diese Entwicklung belaste gerade Familien stark.
Differenz bei Laboratorien
Umstritten ist zwischen den Räten unter anderem noch, welche Behörden genau welche Kompetenzen bei der Anpassung veralteter Tarife haben sollen – im ambulanten Bereich und bei den Spitälern.
Zudem will der Ständerat keinen Systemwechsel, was die Finanzierung von Leistungen von Laboratorien angeht. Die Versorgung würde gefährdet, wenn die Krankenkassen Kosten für Analysen nur noch übernähmen, sofern sie mit dem ausführenden Privatlaboratorium einen Vertrag abgeschlossen hätten, hatte eine klare Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit argumentiert.
Über die Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen» selbst entschied der Rat noch nicht. Diese verlangt, dass Bundesrat, Bundesversammlung und Kantone eingreifen müssen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen. Der Fall wäre dies, wenn das Kostenwachstum pro versicherter Person um einen Fünftel über der Nominallohnentwicklung läge. (awp/mc/ps)