Bern – Parteien, Kantone und Verbände haben den Strom-Notfallplan des Bundesrats und die damit vorgeschlagenen Bewirtschaftungsmassnahmen für einen allfälligen Strommangel stark kritisiert. Es gebe zu viele Vorschriften und Verbote, die nicht kontrolliert werden könnten. Private seien zudem benachteiligt.
Das schrieben Parteien, Kantone und Verbände in Stellungnahmen zu der am Montag abgelaufenen Vernehmlassung. Die vorgeschlagenen Massnahmen würden nur im Ernstfall zum Einsatz kommen. Als letzten Schritt sind im dramatischsten Fall Netzabschaltungen vorgesehen.
Zufrieden waren Parteien und Kantone mit dem in Kaskaden aufgebauten System, das dem Bundesrat erlaubt, flexibel auf die jeweils vorliegende Situation zu reagieren. Stark kritisiert wurde jedoch die Anzahl der Vorschriften und deren Nachvollziehbarkeit. Die Liste wirke willkürlich, und es würden unterschiedliche Massstäbe genutzt, heisst es von fast allen Seiten.
So ist beispielsweise schwer verständlich, dass gewerbliche Wellness-Anlagen und Saunen sogar bei Eskalationsschritt 4 noch weiterlaufen dürfen, während Private ihre Räume auf 18 Grad kühlen und die Grossverbraucher ihren Verbrauch kontingentieren müssen.
Zudem seien kranke und betagte Personen gegenüber solchen, die in Gesundheits- oder Pflegeheimen wohnten, benachteiligt, teilte die Mitte mit. Denn diese müssten ihre Heiztemperaturen nicht anpassen. Mieter- und Hauseigentümerverband forderten deshalb eine maximale Beschränkung der Heiztemperatur auf 20 Grad.
Die Grünen forderten der Gleichbehandlung halber, dass die Begrenzung der Raumtemperatur auf 18 Grad auch für Öl- und Gasheizungen gelten sollte. Ausserdem könne damit zusätzlich der Ausstoss von CO2 begrenzt werden.
Keine Kapazität für Kontrollen
Laut der Konferenz der kantonalen Energiedirektorinnen und -direktoren (EnDK) sollten sich die Massnahmen auf ein paar klare eingängige Vorschriften mit der grössten Wirkung beschränken. Ausserdem bleibe weiterhin unklar, welche Kriterien die Auslösung welcher Massnahmen zur Folge hätten, hiess es.
Die kantonalen Polizei- und Justizdirektorinnen und -direktoren (KKJPD), die in einer Notlage für die Durchsetzung der Verbote verantwortlich wären, sprachen sich sogar ganz gegen Verbote für Private aus. Für eine entsprechende Kontrolle stünden keine Ressourcen zur Verfügung – auch nicht für Stichproben, hiess es in der Stellungnahme. Dasselbe gelte für die Strafverfolgungsbehörden.
Wenn Verbote nicht kontrolliert und sanktioniert werden könnten, schade das der Glaubwürdigkeit der politischen Institutionen, der zuständigen Behörden und des Rechtsstaates an sich, so die KKJPD. Es brauche viel mehr eine glaubwürdige Kommunikation von Empfehlungen und Appellen.
Handy gesellschaftsrelevant
Einer der grössten Mängel ist laut SVP, dass im Ernstfall aufgrund der Kontingentierungspflicht die Telekommunikation stark eingeschränkt sein könnte. Diese sei jedoch Grundlage fast aller Dienstleistungen, weshalb dieser Zustand «unhaltbar» wäre. Die Partei weist die Verordnungsentwürfe «zur vollständigen Überarbeitung» zurück.
Verschiedene Organisationen und Parteien forderten vom Bund zudem, freiwillige Kontingentierungen einzuführen. Bei diesen würden Grossverbraucher dazu motiviert, die Stromlast gegen eine Entschädigung gezielt und frühzeitig planbar ab- und zuzuschalten. Dadurch hätten laut Schweizerischer Energiestiftung (SES) die Stauseen geschont werden können, um die Produktion für Engpässe aufzusparen.
Die FDP forderte, dass alle Unternehmen und Haushalte mit smarten Elektrizitätsmessern ausgerüstet werden, um Energie «intelligent» zu sparen.
Keine Beschränkung für Elektroautos
Von links bis rechts kritisiert wurde zudem die geplante Einschränkung bei den Elektroautos. Das widerspreche den langfristigen Bemühungen der Mobilitätsdekarbonisierung, hiess es. Weiter lehnten SVP und FDP die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen auf 100 Kilometer pro Stunde ab. Die Grünen begrüssten diese. (awp/mc/pg)