Kroatien-Lösung ebnet Weg für neue Gespräche mit der EU

Didier Burkhalter

Bundesrat Didier Burkhalter.

Bundespräsident Didier Burkhalter. (Foto: admin.ch)

Bern – Die EU führt wieder Verhandlungen mit der Schweiz. Eine vom Bundesrat einseitig getroffene Lösung für die Kroatien-Frage hat die seit der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative blockierte Situation etwas entspannt. Definitive Lösungen sind aber noch nicht in Sicht.

Auch die am Mittwoch vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg angeordneter Regelung hat lediglich provisorischen Charakter. Bis längstens zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels im Februar 2017 werden Bürgerinnen und Bürgern Kroatiens faktisch gleich behandelt wie jene der übrigen EU-Staaten.

Das Protokoll zu Ausdehnung der Personenfreizügigkeit kann die Schweiz zwar nicht unterzeichnen. Sie gewährt Kroatinnen und Kroaten aber Kontingente im Umfang, wie sie für die Zeit zwischen Unterzeichnung und Inkraftsetzung des Protokolls vorgesehen waren: Ab 1. Juli stehen 50 Jahresaufenthalts- und 450 Kurzaufenthaltsbewilligungen zur Verfügung. Gleichzeitig anerkennt der Bundesrat jene Berufsdiplome, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen und bekennt sich um vereinbarten Kohäsionsbeitrag von 45 Mio CHF. Dazu muss sich allerdings noch das Parlament äussern.

Durchbruch bei EU-Mandat
Am Dienstag hatten die EU-Unterhändler in Brüssel einer solchen einseitigen Lösung zugestimmt. Im Gegenzug gaben die letzten Mitgliedstaaten ihren Widerstand gegen ein Verhandlungsmandat auf, das in ein Rahmenabkommen über institutionelle Fragen münden soll. Dieses wurde am Mittwoch vom zuständigen Botschafter-Ausschuss verabschiedet. Die Genehmigung durch den EU-Ministerrat voraussichtlich am nächsten Dienstag gilt als Formalität. Gleichzeitig hat die provisorische Lösung der Kroatien-Frage auch die Tür aufgestossen für neue Gespräche über Forschungszusammenarbeit, Bildung, Kultur oder Strom.

Burkhalter: «Neustart möglich»
Die EU hatte die Verhandlungen über die Forschungszusammenarbeit «Horizon 2020», das Austauschprogramm Erasmus+ und andere Abkommen nach Annahme der SVP-Initiative auf Eis gelegt. Bundespräsident Didier Burkhalter glaubt, dass nun ein «Neustart» möglich ist, wie er vor den Bundeshausmedien erklärte.

EU-Kommission dämpft allzu grosse Erwartungen
Brüssel bemühte sich indes, allzu grosse Erwartungen zu dämpfen. Die EU-Kommission sei bereit, über Formen der Kooperation mit der Schweiz zu diskutieren, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Eine vollständige Assoziierung an «Horizon 2020» oder «Erasmus+» komme jedoch nur bei einer Unterzeichnung des Protokolls zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien in Frage.

Bilaterale auf dem Prüfstand
Damit hat die Schweiz ein konkretes Zugeständnis gemacht, als Gegenleistung aber lediglich Zusicherungen erhalten. Mehr sei unter den gegebenen Umständen nicht zu erreichen gewesen, sagte Burkhalter. Für ihn geht es nun darum, die verschiedenen Dossiers zu koordinieren und gemäss der Strategie des Bundesrats zum bestmöglichen Abschluss für die Schweiz zu bringen.

Die Zukunft des bilateralen Wegs steht für Burkhalter im Moment jedoch nicht in Frage. Die Masseneinwanderungs-Initiative verlange die Neuregelung der Migration, nicht aber ein Ende der Bilateralen, sagte er. Allerdings werde die Schweiz am Schluss wohl doch die Frage beantworten müssen, ob sie den Bilateralismus weiterhin wolle oder nicht.

Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die SVP-Initiative nicht konform mit dem Freizügigkeitsabkommen umgesetzt werden kann. Die EU sei unnachgiebig beim Grundsatz, dass Kontingente mit der Personenfreizügigkeit nicht zu vereinbaren seien, sagte Burkhalter. Es sei daher schwer vorstellbar, eine Lösung zu finden, die für die EU akzeptabel sei. Muss das Freizügigkeitsabkommen gekündigt werden, fällt das Paket der Bilateralen I automatisch dahin.

Schweiz unter Zeitdruck
Dies will der Bundesrat nicht nur verhindern – mit einem Rahmenabkommen über institutionelle Fragen will er den bilateralen Weg sogar vorantreiben. Die EU verlangt, einen gemeinsamen Mechanismus zur Übernahme von EU-Recht und zur Streitbeilegung einzuführen. Ohne einen solchen will sie der Schweiz keinen weiteren Marktzugang gewähren.

Auf diese zwei im Grund gegenläufigen Ziele muss der Bundesrat auch noch unter grossem Zeitdruck hinarbeiten. Mit den EU-Institutionen in der aktuellen Besetzung kann die Schweiz wegen der anstehenden Europawahl nur noch bis in den Herbst verhandeln. Es sei «sehr unwahrscheinlich», dass bis dahin eine Einigung gefunden werde, sagte Burkhalter. Die Masseneinwanderungs-Initiative jedoch muss bis Februar 2017 umgesetzt sein. (awp/mc/pg)

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