Bis 2040 wird die Zahl der Betagten in Scheizer Pflegeheimen markant ansteigen.
Zürich – Die Credit Suisse hat heute die Studie «Gesundheitswesen Schweiz 2015 – Die Zukunft des Pflegeheimmarkts» veröffentlicht. Die demografische Alterung führt gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse dazu, dass bis 2040 je nach Szenario 60% bis 120% mehr Betagte in Schweizer Pflegeheimen betreut werden als heute. Dies zieht in jedem Fall massiv steigende Pflegekosten nach sich, deren Finanzierung das heutige System vor immer grössere Herausforderungen stellen wird. Zudem steigt mit der zunehmenden Nachfrage nach professioneller Alterspflege auch der Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal. Gemäss den Ökonomen wird die ambulante Alterspflege künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Bis 2040 sind selbst unter optimistischen Annahmen 53’000 zusätzliche Betten in Pflegeheimen nötig, was einem Investitionsvolumen von fast 20 Mrd. Franken entspricht. Ersatzbauten und Renovationen sind in diesem Betrag genauso wenig berücksichtigt wie Neubauinvestitionen in Alterswohnungen. Das gesamthaft für die Alterspflege benötigte Investitionsvolumen dürfte gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse demnach noch deutlich höher ausfallen.
Heute leben in der Schweiz gut 400’000 über 80-Jährige. 2040 dürften es mehr als doppelt so viele sein. Diese Entwicklung wird zu einer deutlichen Zunahme an Pflegebedürftigen führen. Betrachtet man die Alterspflege als Wirtschaftszweig, steht damit wohl kaum eine andere Branche einem derart dynamischen und langfristig fast schon garantierten Nachfragewachstum gegenüber. Dennoch steht der nach den Spitälern zweitgrösste Sektor im Gesundheitswesen vor grossen Herausforderungen. Die Finanzierbarkeit des heutigen Systems dürfte mit der fortschreitenden Alterung noch herausfordernder werden als heute – ebenso die Ausbildung und Rekrutierung von genügend qualifiziertem Pflegepersonal. Obwohl der Grossteil der Kosten der Alterspflege beim Personal anfallen, müssen gemäss den Ökonomen auch in Neu- und Ersatzbauten von Pflegeheimen beträchtliche Summen investiert werden.
Bis 2040 massiv mehr Betagte in Pflegeheimen
Der stark wachsende Pflegebedarf dürfte gemäss den Ökonomen der Credit Suisse dazu führen, dass sich der Anteil der Ausgaben für Pflegeheime und die ambulante Pflege (Spitex) am Bruttoinlandprodukt bis 2040 von heute 1,7% auf über 3% verdoppelt. Ob das heutige Finanzierungsregime, in dem sowohl der Staat, die Krankenkassen als auch die Pflegebedürftigen die Kosten tragen, dieser massiven Zusatzlast gewachsen ist, bleibt fraglich. Gemäss den Ökonomen muss die Politik sich daher frühzeitig mit alternativen Finanzierungmodellen auseinandersetzen und politisch tragfähige und nachhaltige Lösungen ausarbeiten. Denn unabhängig davon, ob die Finanzierung des heutigen Systems gesichert ist oder nicht – die Nachfrage nach Alterspflege und Betreuungsplätzen steigt in den nächsten Jahrzehnten massiv. Je nach Szenario der Ökonomen der Credit Suisse dürften 2040 rund 60% bis 120% mehr Menschen als heute in Pflegeheimen betreut werden. Das Wachstum fällt indessen in den einzelnen Regionen der Schweiz höchst unterschiedlich aus. Besonders dynamisch dürfte die Nachfrage nach Alterspflege in den Regionen des äussersten Gürtels der Metropolregionen Zürich und Genf-Lausanne wachsen. Mit einem eher unterdurchschnittlichen Nachfragewachstum rechnen die Ökonomen in den grossen Städten und in den peripheren Gebieten im Jurabogen und Alpenraum.
Fachkräftemangel im Pflegebereich dürfte sich verschärfen
Parallel zur Nachfrage wuchs in den letzten Jahren auch das Angebot an Alterspflege. Die Beschäftigtenzahl in dieser sehr personalintensiven Branche nahm dabei stärker zu als in den meisten anderen Schweizer Wirtschaftszweigen. Daher ist es wenig überraschend, dass bereits heute teilweise ein Fachkräftemangel herrscht. Angesichts der auch künftig dynamisch wachsenden Nachfrage dürfte sich dieser deutlich verschärfen. Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten, dass bis 2040 alleine in Pflegeheimen ein zusätzlicher Bedarf von 48’000 bis 71’000 Pflegevollzeitstellen entsteht, was einen 1,8 bis 2,2-fachen Anstieg gegenüber heute darstellt. Ob dieser Bedarf bei einer nahezu stagnierenden Erwerbsbevölkerung gedeckt werden kann, stellt die aktuelle Studie «Gesundheitswesen Schweiz 2015 – Die Zukunft des Pflegeheimmarkts» jedoch in Frage. In diesem Kontext besonders kritisch zu betrachten, ist die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative vom 9. Februar 2014. Seit 2006 wurden nämlich mehr als 40% der neuen Pflegestellen von Personal mit ausländischem Pflegediplom besetzt.
Struktur des Pflege- und Betreuungsangebots verändert sich
Heute stellen die rund 1’500 Schweizer Pflegeheime etwa 80% des Pflegepersonals. Die Spitex zeichnet sich für die restlichen 20% verantwortlich. Die ambulante Alterspflege dürfte relativ zur stationären künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Pflegeheime heute auch viele nur leicht pflegebedürftige Klienten beherbergen, die ökonomisch gesehen effizienter von der Spitex betreut werden könnten. Die strikte Trennung von ambulanter und stationärer Pflege relativiert sich jedoch zunehmend. Bereits heute gibt es eine Vielzahl alternativer Wohn- und Betreuungskonzepte wie zum Beispiel «Wohnen mit Service», die stark im Wachstum begriffen sind.
Westschweiz setzt stärker auf die ambulante Pflege als Deutschschweiz
Obwohl die Abdeckung an Pflegeheimen in der Schweiz praktisch lückenlos ist – 99% der Bevölkerung erreicht mindestens ein Pflegeheim in weniger als 15 Autominuten –, unterscheidet sich die regionale Versorgungsdichte zum Teil deutlich. Die aktuelle Studie zeigt, dass heute insbesondere weite Teile der West- und Nordschweiz unterdurchschnittlich mit Pflegebetten versorgt sind. Jedoch relativiert sich dieser Befund teilweise, sobald das Spitex-Angebot mitberücksichtigt wird. Heute setzen insbesondere die Westschweizer Kantone überdurchschnittlich stark auf die ambulante Alterspflege.
Investitionsvolumen in Pflegeheime verdreifachte sich in den letzten 10 Jahren
Neben der Mitarbeiterzahl nahmen in den letzten Jahren auch die Investitionen in Pflegeheime stark zu. Bewilligten die kommunalen Baubehörden um die Jahrtausendwende jährlich Pflegeheimprojekte in der Höhe von etwa 200 Mio. Franken, betrug dieser Wert im Zeitraum 2012 – 2014 jeweils über 700 Mio. Franken pro Jahr. Dabei nahm zwar nicht die Zahl der Neubauprojekte zu, aber die bewilligten Objekte wurden immer grösser. Besonders viele Projekte wurden im Grossraum Zürich, im Raum Basel und im Mittelland bewilligt. Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen daher in den nächsten 2 bis 3 Jahren für diese Regionen mit der grössten Ausdehnung der Bettenzahl.
Bis 2040 müssen fast 20 Mrd. Franken in zusätzliche Pflegeheime investiert werden
Das dynamische Wachstum bei den Pflegeimmobilien setzt sich angesichts des prognostizierten Nachfrageanstiegs auch mittel- bis langfristig fort. Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen damit, dass bis 2040 schweizweit trotz zunehmender Bedeutung der Spitex 53’000 zusätzliche Betten in Pflegeheimen benötigt werden. Dies entspricht einem Investitionsbetrag von gesamthaft 18,4 Mrd. Franken – oder knapp 700 Mio. Franken pro Jahr. Ersatzbauten und Renovationen sind in diesem Betrag genauso wenig berücksichtigt wie Neubauinvestitionen in Alterswohnungen. Das gesamthaft benötigte Investitionsvolumen in Alterswohnungen und Pflegeheime dürfte demnach noch deutlich höher ausfallen. Der zusätzliche Bedarf an Pflegebetten verteilt sich jedoch nicht gleichmässig über die Schweiz. Unter Berücksichtigung des prognostizierten Nachfragewachstums und der heutigen Versorgungsdichte gehen die Ökonomen der Credit Suisse davon aus, dass im Vergleich zu heute insbesondere die Regionen zwischen Genfer- und Neuenburgersee, östlich des Genfersees und westlich der Stadt Zürich in zusätzliche Betten investieren müssen.
Die Publikation «Gesundheitswesen Schweiz 2015 – Die Zukunft des Pflegeheimmarkts» ist im Internet in Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar unter:
www.credit-suisse.com/research