Bern – In der PostAuto-Affäre hat sich am Sonntag erstmals Post-Chefin Susanne Ruoff ausführlich zu Wort gemeldet. In einem Interview räumte sie zwar Fehler ein, einen Rücktritt lehnte sie aber ab. Rückendeckung erhielt sie vom Aufseher des Bundes.
«Ich trete nicht zurück», stellte die Post-Konzernchefin Susanne Ruoff in einem sechsseitigem Interview mit dem «SonntagsBlick» klar. Sie wolle Klarheit schaffen. «Ich habe weder gelogen noch sonst etwas Falsches getan.» Sie sprach sich für eine lückenlose Aufklärung aus. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen bis Mitte Jahr vorliegen.
Ruoff hat laut eigenen Angaben im November von der unrechtmässigen Buchungspraxis bei PostAuto erfahren. Sie sei vom Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV) über fiktive Rechnungen und Verbuchungen informiert worden.
«Ich habe sofort gehandelt, weil ich eine lückenlose Aufklärung wollte», sagte die 60-jährige Managerin. Sie habe eine Taskforce mit externen Experten gebildet, die dann die illegale Buchungspraxis bestätigt habe. Danach sei klar geworden, dass das Geld zurückgezahlt und die Öffentlichkeit informiert werden müsse.
Vorwürfe, sie habe seit mindestens 2013 von Buchhaltungstricks gewusst und mit dem Management eruiert, wie die Post Gewinne verstecken könne, wies die Konzernchefin erneut zurück. «Wir haben getan, was jedes Unternehmen tut: Es überlegt, wie und wo Gewinne anfallen können und wie man diese verwendet. Jedes Management muss dafür Lösungen aufzeigen. Dass man Varianten diskutiert, ist normal.»
Ruoff sieht genügend Rückhalt
Ruoff gestand im Interview dennoch Fehler ein. Sie hätte sich damals schneller und tiefer mit den Themen rund um die Gewinne bei PostAuto beschäftigen sollen, sagte sie. Aber weder sie, ihre Vorgänger noch interne und externe Revisoren hätten die illegalen Machenschaften erkannt, ebenso wenig zunächst die Aufsichtsbehörden.
Wer ihrer Meinung nach die Schuld für den Skandal trägt, und welches Motiv hinter den illegalen Machenschaften stecken könnte, dazu äusserte sich Ruoff nicht. «Ich wehre mich gegen Vorverurteilungen.» Welchen Einfluss die Umbuchungen auf das operative Ergebnis hatten, und ob dadurch höhere Boni geflossen seien, würden die Untersuchungen zeigen.
Ruoff erkannte genügend Rückhalt an der Konzernspitze. Sie habe das Vertrauen und den Rückhalt von Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller, sagte sie. Sie habe mit ihm geklärt, dass er die Untersuchung leite, um die Objektivität zu gewährleisten.
Füglisthaler warnt vor voreiligen Schlüssen
Rückendeckung erhält Ruoff auch vom obersten Aufseher des Bundes. BAV-Direktor Peter Füglistaler warnte vor voreiligen Schuldzuweisungen. Es sei gefährlich, die Aufklärung so stark zu personifizieren, sagte er in der Sendung «Samstagsrundschau» von Radio SRF.
Ruoff sei erst Ende 2012 zur Post gekommen, die Buchhaltungstricks hätten aber bereits 2007 begonnen, rief er in Erinnerung. In die Pflicht nimmt er vielmehr die Organe der Post. «Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Revision müssen garantieren, dass alles korrekt ist.»
Entsprechend offen soll die Strafanzeige formuliert werden, die das BAV dieser Tage bei der Bundesanwaltschaft einreichen will. Sie werde sich gegen Unbekannt richten, kündigte Füglistaler an.
Der BAV-Direktor weist dabei die Verantwortung von sich, räumt aber ein, dass es möglich gewesen wäre, den Fehler früher zu entdecken. «Dass die Post bescheisst, um in der ‹Blick›-Sprache zu sprechen, konnten wir uns nicht vorstellen», sagte Füglistaler.
Gewinnvorgaben überdenken
Trotz dem Skandal hält er nichts davon, den «Kontrollapparat» nun hochzufahren, wie das Politiker fordern. Dies nehme den Unternehmen nur die Verantwortung. Im Kern gebe es eine Selbstverantwortung und eine Ethik.
Handlungsbedarf sieht Post-Chefin Ruoff bei den Gewinnvorgaben. Sie versprach im Interview, die Vorgaben bei PostAuto, die mutmasslich am Ursprung des illegalen Handels stehen, zu überarbeiten. In ihrer Amtszeit hätten die vereinbarten Gewinnvorgaben im Schnitt unter drei Prozent gelegen. «Diese wurden dann immer übertroffen, wir haben also ganz sicher nicht zu viel Druck gemacht.»
Roth: Ruoff nicht mehr tragbar
Hart ins Gericht mit Ruoff geht die Wirtschaftsrechtsexpertin Monika Roth. «Sie ist nicht mehr tragbar, weil sie bis heute nicht wahrhaben will, was ihre Pflichten gewesen wären», sagte die Rechtsanwältin im Interview mit den Zeitungen «Zentralschweiz am Sonntag» und «Ostschweiz am Sonntag». Ruoff sei unglaubwürdig, schade der Post und habe das Vertrauen verspielt.
Compliance-Expertin Roth fordert aber nicht nur personelle Konsequenzen. Das interne Kontrollsystem müsse überprüft werden, wie auch die Unternehmenskultur. (awp/mc/ps)