Bern – Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) erhebt Anklage gegen sechs ehemalige Mitglieder des Post- sowie des Postauto-Kaders. Ihnen wird Leistungsbetrug vorgeworfen. Der Schritt erfolgt nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahren in der sogenannten Postauto-Affäre.
Angeklagt werden gemäss Mitteilung des Fedpol vom Donnerstag der ehemalige Finanzchef des Post-Konzerns, Pascal Koradi, der ehemalige CEO von Postauto, Daniel Landolf, dessen Finanzchef, der Teilmarktleiter Ost, der Teilmarktleiter West und der Chef Markt Schweiz von Postauto Schweiz.
Höchststrafe fünf Jahre Gefängnis
Das Fedpol wirft den Beschuldigten vor, sie hätten in ihren Funktionen das Bundesamt für Verkehr (BAV) über die effektiven Gewinne des Unternehmens getäuscht, um Abgeltungskürzungen in den Folgejahren zu vermeiden. Nach Beurteilung des Fedpol haben die Beschuldigten dabei die Verfälschung von Rechnungen veranlasst oder zumindest geduldet beziehungsweise am Entscheid mitgewirkt, die verfälschten Rechnungen dem BAV einzureichen.
Die festgestellten Handlungen der Beschuldigten bewertet Fedpol als «strafrechtlich gravierend». Sie wird deshalb Freiheitsstrafen gegen die sechs Personen beantragen. Bei gewerbsmässigem Leistungsbetrug drohen den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung Bussen bis zu 30’000 Franken und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.
Die Untersuchungen dauerten länger als geplant. Eine besondere Herausforderung seien die enormen Datenmengen gewesen, die beschlagnahmt wurden, schreibt das Fedpol. Die Fedpol-Ermittler analysierten über 25 Millionen Datensätze und führten rund siebzig Befragungen durch.
Taten sind teilweise verjährt
Die Postauto-Affäre war im Herbst 2017 ins Rollen gekommen. Damals stellte das BAV bei einer ordentlichen Revision fest, dass Postauto Schweiz seit 2007 Gewinne im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr erzielt und diese in andere Geschäftsfelder umgebucht hatte.
Aufgrund der Verjährungsfristen des Verwaltungsstrafrechts sind heute noch die strafbaren Handlungen ab 2014 relevant. Für diese gilt eine Verjährungsfrist von zehn Jahren. Sie verjähren daher frühestens 2024. Für allfällige strafbare Handlungen, die bis 2013 begangen wurden, gilt eine kürzere Verjährungsfrist von sieben Jahren. Sie sind bereits verjährt.
Weitere Strafanzeige hängig
Bei den Untersuchungen stiessen die Ermittler auch auf Hinweise für Bestechung. Das Fedpol reichte deshalb im Frühjahr 2019 eine Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) ein. Diese eröffnete wenig später ein Strafverfahren gegen Unbekannt.
Das Strafverfahren wurde inzwischen auf einen BAV-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und einen ehemaligen Mitarbeiter von Postauto Schweiz wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung ausgedehnt, wie die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Weitere Angaben macht die Behörde derzeit nicht.
Für die nun erfolgte Anklage ist das Strafgericht des Kantons Bern zuständig. Die Untersuchungsakten befinden sich laut Fedpol bei der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt die Unschuldsvermutung.
Postauto zahlt zurück
Finanziell ist der Postauto-Skandal erledigt. Postauto Schweiz hat Bund, Kantonen und Gemeinden insgesamt rund 205 Millionen Franken an erschwindelten Subventionen zurückgezahlt. Nachdem die Machenschaften aufgeflogen waren, mussten alle Geschäftsleitungsmitglieder von Postauto ihren Posten räumen.
Anfang November 2018 übernahm Christian Plüss den Chefposten bei Postauto. Er installierte eine neue Führungscrew wobei sich alle früheren Mitglieder neu bewerben mussten. Interimistisch hatte Thomas Baur das Unternehmen seit Februar 2018 geführt.
Pascal Koradi war von 2012 bis 2016 Finanzchef des Post-Konzerns; danach wurde er Direktionspräsident der Aargauischen Kantonalbank. Von diesem Posten trat Koradi im Juni 2018 im Zusammenhang mit dem Subventionstricksereien bei Postauto zurück. Er wolle mit dem Schritt die Reputation der Bank schützen, sagte er damals. (awp/mc/ps)