Presse zur Zersiedelungsinitiative: «Radikale Rezepte fallen durch»

Abstimmungen

(Bild: niyazz - Fotolia)

Bern – Das wuchtige Nein zur Zersiedelungsinitiative erklären die Kommentatoren in der Schweizer Presse einhellig mit deren Radikalität. Sie warnen allerdings davor, das Abstimmungsresultat dahingehend zu deuten, dass das Volk keine Einschränkung bei der Raumplanung wolle.

«Neue Zürcher Zeitung»:
«Zwar haben die Initianten mit dem Kampf gegen den Schwund des Kulturlandes einen Nerv der Zeit getroffen, aber gescheitert sind sie letztlich daran, dass ihr Rezept nicht zur Lösung taugt. (…) Mit Blick auf die Revision des Raumplanungsgesetzes haben die Urheber der Zersiedelungsinitiative dem eigenen Anliegen einen Bärendienst erwiesen. Das wuchtige Nein, das sie mitten in dieser Auseinandersetzung produziert haben, kann als Signal missverstanden werden, das Volk wolle möglichst keine Einschränkungen. Dies spielt jenen in die Hände, die den mühsam errungenen Grundsatz der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet aushöhlen wollen.»

«Tages-Anzeiger» (Tamedia):
«Ein wuchtiges Nein gehörte von Anfang an zum Betriebsrisiko der Zersiedelungsinitiative. Zu übermächtig war die Gegnerschaft, die auch Teile der Linken umfasste. Und zu wenig ausgewiesen war der Bedarf nach einem derart starren Konzept für die Schweizer Raumplanung. (…) Das wuchtige Nein ist nun da – und dass seine Wucht keinen politischen Schaden anrichtet, darauf müssen alle hoffen, denen an der Schönheit des Landes etwas liegt. Bald beschäftigt sich das Parlament mit dem derzeit drängendsten Problem der Raumplanung: der aus den Fugen geratenen Bauerei ausserhalb der Bauzonen.»

«Blick»:
«Das Stimmvolk hat die Zersiedelungs-Initiative zerzaust. Es will die Bauland-Fläche nicht einfach auf unbestimmte Zeit einfrieren und lehnt einen Kurswechsel in der Raumplanung in Richtung Käseglocke fürs Kulturland ab. (…) Die Mehrheit der Stimmbürger greift eben nur zu radikalen Lösungen, wenn es nicht anders geht oder die typisch schweizerische Kompromiss-Tour nicht funktioniert. Dies ist in der Raumplanung derzeit aber nicht der Fall. (…) Gelingt es nicht, die Zersiedelung im Zaum zu halten und wird der Volkswille mit den Füssen getreten, könnten radikale Lösungen Mehrheiten finden. Schliesslich hiessen die Stimmbürger die Zweitwohnungs-Initiative oder die Alpen-Initiative auch gut.»

«Aargauer Zeitung»/»Luzerner Zeitung» («CH Media»):
«Das deutliche Ergebnis ist die Quittung für eine Initiative, die zwar gut gemeint war, aber eben auch nicht viel mehr. Sie hat ein Thema aufgegriffen, das niemanden kalt lässt. Doch die Jungen Grünen haben kein überzeugendes Rezept präsentiert. (…) Das klare Nein kommt jenen Kräften gelegen, die auf möglichst grossen Spielraum beim Bauen ausserhalb der Bauzonen pochen. Sie sollten aber nicht vergessen, dass das Volk in der Vergangenheit – etwa mit dem Ja zur Zweitwohnungsinitiative oder dem ersten Raumplanungsgesetz – mehrmals unterstrichen hat, dass ihm der Landschaftsschutz am Herzen liegt.»

«Südostschweiz»:
«Das klare Nein zur Zersiedelungsinitiative ist nicht zuletzt ein Bekenntnis des Stimmvolks zu den Institutionen im Land. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen darauf, dass ihr Volkswille aus der Abstimmung über das Raumplanungsgesetz umgesetzt wird – aus den gleichen Gründen hatte vor zwei Jahren auch die Durchsetzungsinitiative an der Urne Schiffbruch erlitten. (…) Wenn sich die Zersiedelung weiter ungebremst ins Land hineinfrisst, dann wird das Stimmvolk reagieren. Und plötzlich wären dann die Jungen Grünen doch noch zur richtigen Zeit am richtigen Ort.»

«Le Temps»:
«Die Abstimmung erfolgte nach mehreren erfolgreichen Urnengängen zum Thema, die von nachgewiesener Sensibilität in der Bevölkerung für das Problem der Zersiedelung zeugten. So haben die Schweizer Ja gesagt zur Zweitwohnungs-Initiative von Franz Weber und zum neuen Raumplanungsgesetz. (…) Das Votum vom Sonntag darf nicht als Gleichgültigkeitsäusserung gegenüber der Thematik verstanden werden. Vielmehr haben die Stimmbürger Vertrauen in die Art und Weise, wie die Behörden mit den neuen Gesetzes-Instrumenten der Raumplanung die Landstücke verwalten.» (awp/mc/ps)

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