Bern – Am ersten Prozesstag gegen einen ehemaligen Angestellten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) bestritt dieser vor Gericht, selber Aufträge für Güterbeschaffungen und Dienstleistungen unterzeichnet zu haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm unter anderem ungetreue Amtsführung, Urkundenfälschung, Sich-bestechen-Lassen und Geldwäscherei vor.
In der Befragung sagte der Hauptangeklagte zum Vorwurf der freihändigen Vergaben, die Anklagepunkte seien nicht richtig dargestellt. Er habe alle Investitionsanträge bearbeitet und dann an die «Entscheidungsberechtigten» weitergeleitet.
Weiter gab der ehemalige Seco-Angestellte an, er selber habe gar nicht über Beschaffungen entscheiden können. Seine Vorgesetzten hätten jeweils die Bestellungen ausgelöst, auch wenn die WTO-Vorschriften nicht eingehalten worden seien.
Zum Vorwurf der Urkundenfälschung im Amt sagte der Angeklagte, er wisse nicht mehr, weshalb «man mit fiktiven Rechnungen begonnen» habe. Der ehemalige Seco-Angestellte gab jedoch an, lediglich von einem der beiden anderen anwesenden Angeklagten fiktive Rechnungen erhalten zu haben.
Einladung zu Fussballspielen
Gemäss der Anklageschrift soll der heute 68-Jährige zwischen 2004 und 2013 Aufträge für Güterbeschaffungen und Dienstleistungen im Informatikbereich freihändig an von ihm bevorzugte Firmen vergeben haben.
Als Gegenleistung soll der ehemalige Bundesbeamte Vorteile in Form von Einladungen, Sponsoring von Anlässen, Bargeld, Geschenken und Anderes entgegengenommen haben. Unter anderem liess sich der Beschuldigte mehrfach zu Fussballspielen einladen. Auch Dritte haben von den Zuwendungen profitiert.
Insgesamt habe der Angeklagte im Zusammenhang mit der Vergabe der Aufträge nicht gebührende Vorteile im Umfang von über 1,7 Millionen Franken gefordert und entgegengenommen.
Dem ehemaligen Ressortleiter im Seco wird für die Jahre 2008 bis 2014 ausserdem Urkundenfälschung im Amt vorgeworfen. Gemäss Anklageschrift hat er fiktive Rechnungen genehmigt und zur Zahlung freigegeben. Er soll des weiteren gemeinsam mit zwei der drei anderen Angeklagten eine Falschbeurkundung begangen sowie Geldwäscherei betrieben zu haben.
Streitpunkt fiktive Rechnungen
Von den drei weiteren angeklagten Personen waren zwei anwesend und wurden ebenfalls am ersten Prozesstag befragt. Der dritte Angeklagte bezog sich vor Gericht bei fast allen Fragen auf eine frühere Aussage und beteuerte, nichts mit fiktiven Rechnungen zu tun gehabt zu haben.
Demhingegen gab der zweite Angeklagte und ehemalige Geschäftskollege des dritten Angeklagten an, mit letzterem fast alles besprochen zu haben. Es könne nicht sein, dass sein Kollege keine Kenntnis von fiktiven Rechnungen gehabt habe. Die Frage des vorsitzenden Richters, ob der dritte Angeklagte die fiktiven Rechnungen lediglich gebilligt, mitgetragen oder «nur» darum gewusst habe, konnte nicht abschliessend geklärt werden.
Den Mitangeklagten wird vorgeworfen, zum Nachteil von diversen Unternehmen mittels fiktiver Rechnungen Bestechungsgelder aus deren Vermögen entnommen zu haben. Gemäss Anklageschrift flossen die Bestechungsgelder zum Hauptangeklagten, der im Gegenzug die Firmen der Mitangeklagten bevorzugt behandelt haben soll.
WTO-Vergaben: Evaluationen manipuliert?
Gemäss Anklageschrift soll der Hauptangeklagte ausserdem bei zwei WTO-Vergaben die Evaluationen zugunsten der von ihm bevorzugten Firmen manipuliert haben. Sowohl 2004 als auch 2013 erhielten Firmen den Zuschlag, die nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot eingereicht hatten. Dadurch habe der ehemalige Seco-Angestellte einen wirksamen Wettbewerb verhindert und dem Seco materiellen und immateriellen Schaden zugefügt. Der Prozess geht am Dienstag weiter.
Das WTO-Übereinkommen regelt das öffentliche Beschaffungswesen. Es enthält insbesondere die Grundsätze der Nichtdiskriminierung von Anbietenden und das Gleichbehandlungsgebot. Die Schweiz ist WTO-Übereinkommen per 1. Januar 1996 beigetreten. (awp/mc/ps)